Clinton hat sich verplappert

Nach seinem Besuch in Bukarest ist Rumänien überzeugt, daß der US-Präsident das Land eigentlich doch in die Nato aufnehmen will  ■ Aus Bukarest Keno Verseck

Einer glaubt, daß es hier umsonst Hamburger gibt. Andere möchten wissen, „warum er uns denn nun nicht in die Nato gelassen hat“. Auf einem Plakat steht: „Bill, verkauf uns nicht an die Russen!“

Vielleicht 10.000 Menschen warten in sengender Hitze, umgeben von Absperrgittern und einem gigantischen Aufgebot an Sicherheitskräften. Es gibt keine Hamburger, wohl aber Cola umsonst. Eine Band spielt Rock- und Bluesmusik, alle Viertelstunde unterbrochen von der legendären Hymne der Universitätsplatz-Bewegung: „Lieber Rowdy als Aktivist! Lieber tot als Kommunist!“ Vor sieben Jahren hatte hier der ehemalige Staatspräsident Ion Iliescu friedliche antikommunistische Demonstranten – „Rowdies“ – auseinanderprügeln lassen. Mit einem der Rowdies, dem jetzigen Staatspräsidenten Emil Constantinescu, tritt der US-Präsident Bill Clinton nun auf.

Sein Besuch in der rumänischen Hauptstadt galt als Trostbesuch. Und als psychologisch schwieriger dazu. Rumänien hatte sich bis zum letzten Augenblick vor der Madrider Konferenz Hoffnungen auf einen Nato-Beitritt in der ersten Gruppe gemacht – vielleicht unrealistische, aber nicht unbegründete Hoffnungen. Durch die Wahlen vom November 1996 kam die ehemalige demokratische Opposition an die Macht. Sie hat seitdem in vielerlei Hinsicht radikalen Reformwillen bewiesen und Rumänien zu einem ernsthaften Nato- Kandidaten gemacht. Dann kam aus den USA die Ablehnung.

„Nato, Nato!“ rufen die Rumänen nun Clinton entgegen. Doch die Rumänen, so Nato-begeistert wie kaum ein Volk in der Region, scheinen die Ablehnung nicht allzu tragisch genommen zu haben. Staatspräsident Emil Constantinescu läßt sich in seiner Ansprache keine Enttäuschung anmerken. Im Gegenteil: Er lobt die USA enthusiastisch für ihren weltweiten Einsatz für Demokratie. Den Wunsch nach einer baldigen Nato-Aufnahme kleidet er in Formulierungen wie die, daß Rumänien die amerikanischen Werte der Freiheit, Toleranz und Menschenrechte teile. Die Hingebung des rumänischen Staatspräsidenten überschreitet hier und da die Grenze der Peinlichkeit: Auch den Vietnam-Krieg, dem sich Clinton bekanntlich entzog, will Constantinescu als Aktion zur Verteidigung amerikanischer Werte verstanden wissen.

Mehrfach betont Constantinescu, daß Rumänien nicht vom Weg der Reformen abweichen werde. Manche Reformen, vor allem in der Wirtschaft, verlaufen zu schwerfällig, werden durch konfuse Streitereien in der Koalition verzögert. Später am Abend wird Constantinescu im Fernsehen sagen: „Unser Ansehen im Ausland ist derzeit besser, als es der tatsächliche Stand der Reformen zulassen würde.“

Der US-Präsident beginnt seine Ansprache mit Sätzen wie: „Ich bin stolz, der erste amerikanische Präsident in einem freien Rumänien zu sein.“ Die versammelten Bukarester danken es ihm mit Jubel. Emotionalisiert sind fast alle von Clintons Aussagen. Und doch enthalten sie eindeutige Botschaften. Bisher galt der ehemalige Staatspräsident Ion Iliescu in Washington als Garant der Stabilität, die ehemalige Opposition hingegen als wenig regierungsfähig. Nun bekräftigt Clinton seine Unterstützung für Constantinescu und erwähnt lobend die letzten sieben Monate, also die Zeit seit dem Machtwechsel. Allerdings: das sei eine zu kurze Zeit, als daß Rumänien in die Nato hätte aufgenommen werden können. „Der Marathon der Freiheit“, so begründet Clinton die Ablehnung in Madrid, „ist kein Sprint, sondern erfordert Ausdauer und Anstrengungen.“

Kurz darauf folgen die vielleicht wichtigsten Sätze Clintons: „Rumänien ist einer der ernsthaftesten Nato-Kandidaten. Wenn es seinen jetzigen Kurs beibehält, wird es diesen Meilenstein bewältigen. Die Tür der Nato ist offen, und wir werden Rumänien helfen, durch diese Tür einzutreten.“ Es folgt grenzenloser Jubel. Medien und Kommentatoren werden diese Aussage später als Verpflichtungserklärung für Rumäniens Nato- Aufnahme 1999 werten.