: „Damit schieß' ich auf Mäuse“
■ Acht Monate lang trieb sich ein verdeckter Ermittler in der Bremer Drogenszene herum. Drei vermeintliche Kokaindealer saßen jetzt vor Gericht. Die Urteile fielen milde aus
uf Buddy zu kommen, war nicht schwer. Schließlich ist Buddy ein bunter Hund, nicht nur, weil er bis in die Fingerspitzen tätowiert ist. Achtzehn Jahre seines Lebens hat er im Knast gesessen, wegen Tankstellenüberfällen und ähnlichem. Als er das letzte Mal rauskam, machte er sein Aussehen zum Beruf: Zwei Tattoo-Shops gehören Buddy. Es waren schon mal drei; aber das war, bevor ein Hirnschlag aus dem schwerkranken Diabetiker einen akut vom Tode Bedrohten gemacht hat. Und weil die Tattoo-Shops nicht so prächtig laufen, hat Buddy auch noch 20.000 Mark Schulden.
Das wußte auch Mister X, der im vergangenen Jahr mit seinem silbernen Porsche vorfuhr, sich als Zuhälter aus Frankfurt ausgab und Buddy bat, ihm drei Kilo Koks zu besorgen. Keine leichte Aufgabe für einen, der im Leben nie mit Drogen in Berührung gekommen ist. Doch die Übernahme der Schulden lockte und Buddy hörte sich um. Acht Monate dauerte es, bis der Deal zustande kam. Immer wieder stand Mister X vor der Tür, drängte. Er mußte etwas vorweisen. Schließlich war er gar kein Zuhälter, sondern Empfänger des Bundesangestelltentarifs – als verdeckter Ermittler der hessischen Polizei, von der Bremer Kripo bestellt.
Am Montag saßen Buddy und seine Kumpane vor der Strafkammer des Bremer Landgerichts und erzählten ein bühnenreifes Stück aus der Welt des Drogenhandels. Irgendwie war alles verkehrt: Die Protagonisten hießen nicht Kofi und Mehmet, was darauf schließen läßt, daß an dem Vorurteil, Ghanaer und Kurden teilten sich den Markt, etwas nicht stimmt. Schauplatz war nicht das Ostertor, sondern Habenhausen und Ritterhude.
In Habenhausen hat Manni seine Zoohandlung. Manni ist Einzelhandelskaufmann, war jahrelang Vertriebsleiter bei einer großen Kaufhauskette. Als Buddy ihn anrief und fragte, ob er drei Kilo Koks besorgen könne, versprach er, „mich mal schlau zu machen“. Wenig später traf er sich selber mit Mister X, beteuerte aber, wie er sagt, „nix mit Verkauf zu tun zu haben“. Stattdessen will er aktiver Kokser sein – „zum Schluß waren das fünf Gramm am Tag.“Als Vermittler stellte er den Kontakt zu einem Lieferanten namens Tommy her. Als Tommy anreiste, habe Mister X ihn immer wieder gebeten, bei der Übergabe dabei zu sein, sagte Manni vor Gericht. Das war aber überhaupt nicht möglich: Tommy witterte Unheil und drehte wieder um.
Dann kam Rüdiger ins Spiel. Der hat schon vor Jahren seinen Job bei der Bundesbahn geschmissen und schlägt sich seither mit Gelegenheitsjobs rum. Ende der 80er war er wegen Kokainhandels schon einmal drei Jahre im Knast. Doch er rappelte sich wieder auf: Bis Ende 1996 war er Geschäftsführer eines Restemarkts in Nordenham. Seither ist er arbeitslos. Rüdiger lebt mit seiner Frau auf dem Grundstück seiner Eltern in Ritterhude.
Als der Deal mit Manni gescheitert war, klingelte bei Rüdiger das Telefon. Dabei, so beteuerte er vor Gericht, habe er „seit Jahren nichts mehr damit zu tun gehabt“. „Dummerweise“habe er sich verleiten lassen, seine „alten Quellen wieder anzuzapfen. Den Lieferanten will er nicht nennen. Für die Vermittlung seien ihm 6.000 Mark in bar und weitere 6.000 in „Naturalien“, sprich als Kokain, geboten worden. Rüdiger fuhr selbst mit dem Stoff in die Stadt, sollte dort für drei Kilo 195.000 Mark bekommen. Als er das erste Kilo überreichte, wurde er festgenommen.
Sowohl bei Manni als auch bei Rüdiger wurde die Polizei fündig. In und um Mannis Laden fand man außer achtzig Gramm Kokain – dem „Lohn“für den Deal – einmal 216 Gramm sowie weitere eineinhalb Kilogramm Haschisch, drei Luftgewehre, eine Armbrust, Schalldämpfer, ein Magazin für eine Pistole. Rüdigers Zuhause beherbergte verschiedenste Päckchen Kokain und Marihuana, sowie diverse Waagen.
Vor Gericht präsentierten sich alle Beteiligten als Unschuldslämmer. Manni schüttelte wie wild seine langen Haare und beteuerte, mit dem Haschisch nichts zu tun zu haben. „Ich kann mir nur vorstellen, daß jemand von der Spedition nebenan die da untergebracht hat.“Der Rest sei sein Eigenbedarf gewesen. Die Armbrust sei ein Geschenk, mit dem Luftgewehr würden Mäuse erschossen. Rüdiger beteuerte, mit seinen Waagen lediglich Briefe zu wiegen.
So reduzierte sich die Anklage auf das Geschäft, das der verdeckte Ermittler „angeschoben“hatte, wie der Staatsanwalt zugute hielt.. Ein Verteidiger formulierte: „Wir sitzen hier wegen einer Geschichte, die der Staat inszeniert hat.“Gelohnt hat sie sich nicht: Buddys Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt – vermutlich wäre er sowieso haftunfähig. Manni und Rüdiger erhielten Freiheitsstrafen von je vier Jahren. In seiner Urteilsbegründung sprach Richter Kratsch weise Worte: „Buddy ist sicher nicht die Persönlichkeit, an die der Gesetzgeber dachte, als er das Gesetz zur verdeckten Ermittlung geschaffen hat.“ Jeannette Goddar
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen