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„Das ist neurotische Phantasie“

■ Bündnisgrüner Vorstandssprecher Trittin zu Schröder-Interview

taz: Herr Trittin, letzte Woche hat sich der potentielle SPD- Kanzlerkandidat für Rot-Grün als eine Option für 1998 ausgesprochen, jetzt fordert er in der „Bild am Sonntag“ die Abschiebung krimineller Ausländer. Ist Herr Schröder für die Grünen überhaupt ein berechenbarer Partner?

Jürgen Trittin: Wer mit Kriminalitätsangst und Ausländerfeindlichkeit in den Wahlkampf zieht, der wird sich wundern, daß von dieser Kampagne die CDU oder gar Rechtsradikale profitieren werden. Ich erinnere da nur an den mißglückten Wahlkampf der SPD in Baden-Württemberg, die ja gegen Aussiedler polemisiert hatte und kräftig verlor.

Wenn man unterstellt, daß Schröder ein schlechtes Image im linksliberalen Spektrum hat, dann ist seine Strategie, rechts Stimmen zu holen, doch verständlich.

Die Strategie des getrennt Marschierens und vereint Gewinnens ist vernünftig, geht aber nur so weit, solange nicht offenkundig wird, daß diese Politik gar nicht mehr zusammengeht. Zu glauben, unter Rot-Grün gäbe es eine Ausländerpolitik, die sich rechts von Kanther bewegt, ist ein Wunschtraum.

Haben Sie nicht Angst, Schröder zwingt Sie auf bestimmte Themenfelder?

Wir führen einen Wahlkampf, um unsere Stimmen zu maximieren. Für jeden rechtsstaatlich denkenden, ehrlichen Sozialdemokraten sind Schröders jüngste Äußerungen ein Motiv, 1998 eine Bürgerrechtspartei wie die Grünen zu wählen. Wer meint, durch Abschiebung Straftaten zu verhindern, verkauft die Menschen für dumm. Wer geht denn zu den von Schröder zitierten Prostituierten, die sich in den Händen der Russen befinden, wer macht denn Versicherungsbetrug mit polnischen Autoschiebern, wer nimmt denn die Drogen von angeblichen ausländischen Kleinverteilern — doch mehrheitlich Deutsche. Daß alles Böse von außen kommt, ist insofern eine zutiefst kindische und neurotische Phantasie.

Stehen Schröders Äußerungen, die ja in ähnlicher Form auch Hamburgs Bürgermeister Henning Voscherau getan hat, für eine Tendenzwende in der SPD?

Nein. Ich sehe diese Äußerungen als Teil einer unseligen Tradition der Sozialdemokraten, mit rechten Themen Stimmen der CDU abzujagen. Solche Kampagnen führten in der Regel nicht zur Schwächung der CDU, sondern der SPD und ihrer eigenen Regierungsfähigkeit.

Sie haben mit Schröder in einer rot-grünen Landesregierung zusammengearbeitet. Bewegt sich der potentielle SPD-Spitzenkandidat stetig nach rechts?

Wir haben damals in Niedersachsen eines der bürgerrechtlichsten Polizeigesetze verabschiedet, haben eine Verkleinerung des Verfassungsschutzes und ein bürgernahes Datenschutzgesetz durchgesetzt – gemessen an dieser von ihm verantworteten Politik hat er sich sehr weit von einstigen Positionen entfernt.

Also wird ein möglicher Wahlsieger Schröder nach den Wahlen 1998 ein knallharter Verhandlungspartner?

Egal wer uns von der SPD gegenübersitzt, es wird beinharte Auseinandersetzungen geben – vor allem auf dem Feld der Ökologie und der Bürgerrechte. Interview: Severin Weiland

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