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Wenn Mütter „kochen“

150 Forderungen für ein politisches Süppchen  ■ Von Heike Dierbach

Wer immer noch meint, daß Frauen an den Herd gehören, wird sich in diesen Tagen wundern, was passiert, wenn Frauen „kochen“: Der Verein „Mütter Courage“serviert Hamburgs PolitikerInnen einen pikanten Wahlkampfsnack – 150 Forderungen für ein „politisches Süppchen, das Familien in Hamburg wieder satt werden läßt“. Über Plakatwände und Schaukästen prangern die Mütter die unbekömmlichen Zutaten im „Hamburger Menü“an: Fehlende Kindergartenplätz(ch)en, magere Sozialhilfesätze und 52.000 Hamburger Kinder, die unterhalb der Armutsgrenze leben.

Lokale Forderungen finden sich nur wenige – etwa nach Förderung alternativer Wohnformen, Beteiligung von Frauen und Kindern an allen Verkehrsplanungen... Die allermeisten Rezept-Anweisungen beziehen sich auf bundespolitische Angelegenheiten: ausreichend Kindergeld, Mindestsicherung für Rentnerinnen, höhere Rentenausfallzeiten für studierende Mütter, Aufenthaltsrecht für ausländische Mütter und Kinder und „endlich Solidarität von den Männergewerkschaften“...

Erarbeitet wurden die 150 Hamburger Mütterforderungen 1993 von den 470 Teilnehmerinnen des „Hamburger Mütterkongresses“. Schon damals, zu Beginn der Legislaturperiode, haben wir dieses Rezept den Parteien überreicht, sagt Vorstandsfrau Sonja Deuter: „Außer schönen Worten hat sich wenig getan.“Dabei würden Wirtschaft und Gesellschaft „sofort zusammenbrechen, wenn die Frauen ihre unbezahlten Arbeiten niederlegen würden“, stellen die Frauen selbstbewußt fest. Sie fordern deshalb auch endlich eine gesellschaftliche Diskussion des Arbeitsbegriffes. Daneben zeigen die engagierten Mütter aber auch Liebe zum Detail: Sogar freie Telefoneinheiten zum Organisieren der Kinder-Betreuung finden sich im 150-Punkte-Katalog.

Aber sind Frauen mit Kindern nur Mütter? „Wir definieren uns nicht ausschließlich über diesen Begriff“, widerspricht Sonja Deuter, „uns ist eine Erwerbstätigkeit sehr wichtig. Das Thema Kinderbetreuung ist aber in Hamburg einfach zentral.“

Mit ihrem „Festessen“feiern die Courage-Mütter auch ein freudiges Ereignis: Seit nunmehr zehn Jahren engagiert sich der Verein für die Rechte von Frauen mit Kindern und „gegen eine Politik, die uns nur Diätküche vorsetzt“. „Wir paßten damals in keine andere Gruppe“, erinnert sich Sonja Deuter, „da haben wir halt unseren eigenen Verein gegründet.“Aus allen Stadtteilen und sozialen Schichten kommen die knapp 20 Mütter, die sich heute für eine „feministische Mütterpolitik“einsetzen.

„Im Laufe der Jahre sind immer mehr Forderungen dazugekommen, aber erfüllt hat sich fast keine“, sagt die Vorsitzende, „die Lage in Hamburg wird eher schlechter.“Ob man im Rathaus diesmal die Suppe auslöffelt? Sonja Deuter ist skeptisch. „Es gibt einige wenige Politikerinnen, die unsere Forderungen aufgreifen.“Man(n) ißt dann doch lieber gutbürgerlich.

Infos zu „Mütter Courage“unter 430 55 49.

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