■ Kommentar: Kinder ohne Zukunft
Kinder sind die Zukunft. Flüchtlingskinder nicht. Der Senat hat im Dezember beschlossen, Kosten zu sparen, indem er „die Zahl der in Berlin verbliebenen asylsuchenden“ Kinder und Jugendlichen „mindert“. Wer über die Reduzierung der Zahl von Menschen Geld sparen will, muß sich einen Vergleich mit dem dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte gefallen lassen. Vergleiche sind keine Gleichsetzungen, und sie hinken immer. Die HistorikerInnen Götz Aly und Susanne Heim haben nachgewiesen, daß der Holocaust eine soziale Entrechtung von Menschen ebenso zur Voraussetzung hatte wie Pläne junger Akademiker zur Reduzierung der Zahl der zu „unnützen Essern“ Entrechteten. Diese sozialpolitischen Voraussetzungen hätten jedoch keinesfalls notwendig zur Vernichtung geführt.
Der Senat will die Zahl der Flüchtlingskinder „mindern“, ohne die Fluchtursachen anzutasten. Das weitere Schicksal der abgeschobenen Kinder kümmert ihn so wenig, daß er selbst Lügen in Kauf nimmt. Das konnte nur mit einem Zurückfahren der Gewaltenteilung glücken: Entgegen den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs werden nicht mehr freie Träger mit der Vertretung der nicht mündigen Flüchtlinge betraut – sondern ein Jugendamt, also eine Behörde. Der ist die Staatskasse näher als das Wohl der Schutzbefohlenen. Sie entscheidet zumeist ohne Konsultation ihrer Schutzbefohlenen. Vormünder wieder zu Interessenvertretern der Flüchtlingskinder zu machen ist der Opposition nicht gelungen. Jetzt ist die Justiz gefragt. Marina Mai
Bericht Seite 18
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