: „Ein Aktivurlaub mit Abenteuercharakter“
■ Hamburger Rotkreuzler bereiten in Polen Notunterkunft für Hochwasseropfer vor
Um 19 Uhr wurde Peter Kröger am Donnerstag vergangener Woche telefonisch alarmiert. In Frankfurt an der Oder würden dringend Freiwillige des Roten Kreuzes aus Hamburg gebraucht, um bei einem Deichbruch die Strom- und Trinkwasserversorgung in einer Notunterkunft sicherzustellen.
Drei Stunden später befand sich der 45jährige Abteilungsleiter des Hamburger Finanzbauamtes bereits im Lkw auf Nachtfahrt gen Osten. Zusammen mit vier anderen Hamburger Rot-Kreuz-AktivistInnen traf er im Morgengrauen in der vom Hochwasser bedrohten Stadt ein. Pünktlich zum Dienstbeginn teilte er per Handy seinem Vorgesetzten mit, daß sein Bürostuhl heute unbenutzt bleiben werde. Der zeigte Verständnis und gab Kröger ein paar Tage Sonderurlaub.
Von Frankfurt ging es, einen schnellen Kaffee und ein improvisiertes Frühstück später, weiter nach Slubice, der polnischen Grenzstadt, die Frankfurt gegenüber auf der anderen Oderseite liegt. Da hier die Straßen direkt hinter den Deichen beginnen und Slubice weit unter dem Wasserpegel liegt, befürchtete der polnische Katastrophenschutz das Schlimmste.
Rund 15.000 SlubicerInnen hatten sich zu diesem Zeitpunkt mit ihrem wichtigsten Hab und Gut bereits auf den Weg zu Freunden und Verwandten gemacht – nur wenige waren geblieben, um ihre Besitztümer vor den erwarteten Fluten oder möglichen Plündereien zu schützen. „Eine Totenstadt“, erinnert sich Kröger.
Es ist nicht das erste Mal, daß Peter Kröger für das Rote Kreuz alles stehen und liegen läßt, um in den Krisengebieten Europas tatkräftige Hilfe zu leisten. 1989 nahm der Diplom-Ingenieur erstmalig an einem „Auslandseinsatz“teil: Als Freiwilliger baute er vier Wochen lang Behelfsheime im armenischen Erdbebengebiet auf. Später transportierte er Hilfsgüter nach Belgrad und Sarajewo, auch in Kiew und Bulgarien kam er als Rot-Kreuz-Helfer zum Einsatz.
Wenn er den bequemen Behördensessel mit dem Platz hinter dem Steuer des Lkws vertauscht, ist das Peter Kröger „eine willkommene Abwechslung“. Daß ein Großteil seiner Urlaubszeit für die freiwilligen Einsätze draufgegangen ist, stört den gelernten Elektroinstallateur nicht: „Ich bin kein Typ, der nach Mallorca fährt. Solche Hilfsfahrten sind für mich Aktivurlaub mit Abenteuercharakter“.
In Slubice hat Kröger fünf Tage lang gemeinsam mit zehn weiteren Freiwilligen aus Niedersachsen und Westfalen ein am Südrand der Stadt gelegenes Sportstadion in eine Notunterkunft verwandelt. Hier sollen bei einem zu befürchtenden Deichbruch rund 1.000 Katastrophen-Opfer beherbergt werden. In der hochwassersicheren Arena hatten die HelferInnen eine Wasseraufbereitungsanlage aufgebaut, mit der im Bedarfsfall stündlich 6.000 Liter aus einem auf dem Gelände befindlichen Swimming-Pool in trinkbares Naß hätten verwandelt werden können.
Seit Donnerstag sind Kröger und die übrigen vier Freiwilligen wieder in Hamburg. Fünf andere Helfer haben sie in Slubice ersetzt. Auch die Filteranlage wurde abtransportiert – ins überflutete Wroclaw (Breslau), wo die Wasserversorgung zusammenzubrechen droht.
Bisher haben die durchgeweichten Deiche in Slubice gehalten. Doch für heute wird mit einem weiteren Anstieg des Hochwassers gerechnet. „Wenn die Dämme nachgeben, sitze ich wieder im Lkw und bringe Hilfsgüter ins Stadion“, verspricht Peter Kröger. Das Finanzbauamt wird dann noch eine Weile auf seinen Abteilungsleiter verzichten müssen. Marco Carini
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