: Auslaufmodell Senatsklausur
■ Etat 1998: Tagelange Klausursitzungen des Senats sollen "Chefgesprächen" weichen. SenatorInnen müssen zu Diepgen und Fugmann-Heesing ins Kämmerlein
Die bisherige Form der „Koalitionsklausur zum Haushalt“ wird es nicht mehr geben. Das ermüdend unergiebige Geldgefeilsche im Grunewald sollen sogenannte Chefgespräche ersetzen. Dabei einigen sich die Ressortchefs mit Finanzsenatorin Annette Fugmann- Heesing (SPD) über die Einzelpläne des Haushaltes 1998. Gelingt dies nicht, sind für kommende Woche bereits Dreierrunden mit dem Regierenden Bürgermeister angesetzt. Die Haushaltsklausur ist damit so gut wie passé. „Vergessen Sie diesen Begriff“, sagte der Wirtschaftsstaatssekretär Wolfgang Branoner (CDU) der taz, „das geht genausogut in einer langen Kabinettssitzung.“
Der junge Wirtschaftsstaatssekretär spricht offen aus, was die SenatorInnen von CDU und SPD hinter vorgehaltener Hand lange fordern: Das desaströse Bild der Regierungsunfähigkeit von Schwarz-Rot, das die letzte siebentägige Klausur in der Europäischen Akademie im Grunewald vermittelte, dürfe sich keinesfalls wiederholen. In Berlin müsse endlich auch bei der Haushaltsaufstellung Normalität einziehen. Das heißt: Der Senat verabschiedet den Haushaltsentwurf in einer Kabinettssitzung – und leitet das Zahlenwerk dann dem Abgeordnetenhaus zu. Damit wären die allseits kritisierten tagelangen Verhandlungen hinter verschlossenen Türen nicht mehr nötig.
Senatssprecher Michael-Andreas Butz bestätigte die neue Strategie. Der Regierende wolle sich kommende Woche „selbst in die Chefgespräche einschalten“. An dem ursprünglich für den 9. und 10. August vorgesehen Klausurtermin werde nur „zunächst“ noch festgehalten. Der Haushalt im Stadtstaat für 1998 gilt als der „schwierigste Etat nach dem Zweiten Weltkrieg“ (Rechnungshofchef Horst Grysczyk). Ausgaben von rund 42 Milliarden Mark stehen erwarteten Einnahmen von nur 33 Milliarden gegenüber – 9 Milliarden Mark fehlen also. Sie sollen erbracht werden durch eine Nettokreditaufnahme von 4,8 Milliarden, die Absenkung der Sachausgaben um eine halbe Milliarde Mark und der Rest über Vermögensveräußerungen.
Angesichts dieser Zahlen gestalten sich auch die Chefgespräche kompliziert. Nach einer ersten Runde vergangene Woche blies die Finanzsenatorin ihren Urlaub ab, um in dieser Woche nachzulegen. Weitgehende Einigung erzielte sie nur mit Kultur- und Wissenschaftssenator Peter Radunski (CDU) und Umweltsenator Peter Strieder (SPD); beide Senatoren sollten rund 30 Millionen Mark an konsumtiven Sachausgaben absenken, was gelingt – wenn auch „mit Ach und Krach“ (Radunskis Sprecherin Kerstin Schneider).
Uneinig ist sich die Finanzsenatorin zuvorderst mit Jürgen Klemann (CDU). Der Bausenator feilschte geschlagene neun Stunden mit der Kassenwartin. Dieser Tage sitzen sie wieder beisammen. Krach gab es auch mit Ingrid Stahmer (SPD). Die Schulsenatorin kommt heute zum zweiten Mal in die Klosterstraße; sie soll mit ihrem Bildungsetat allein 135 Millionen Mark zu der halben Milliarde an konsumtiven Kürzungen (Zuschüsse, Sachmittel) beibringen. In eine zweite Runde gehen auch Justizsenatorin Lore Maria Peschel- Gutzeit (SPD), Arbeitssenatorin Christine Bergmann (SPD) und Wirtschaftssenator Elmar Pieroth (CDU). Christian Füller
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