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Nur Verhandlungen können die Gewalt stoppen

■ Die jetzt zur Schau gestellte Härte des israelischen Präsidenten Netanjahu gegen die Palästinenser ist ein indirektes Eingeständnis der eigenen Versäumnisse

Das Attentat vom Mittwoch hat den Friedensprozeß zu einem sehr empfindlichen Zeitpunkt getroffen. Gerade erst hatten sich die israelische Regierung und die Autonomiebehörde darauf verständigt, die Verhandlungen in der kommenden Woche wieder aufzunehmen. Zwar sollte zuerst nur über die noch ausstehenden Punkte der Oslo-Vereinbarungen wie den Bau eines Seehafens und Flughafens in Gaza, die sichere Verbindung zwischen dem Westjordanland und dem Gaza-Streifen sowie die Freilassung von Gefangenen verhandelt werden. Aber die nun abgesagte Reise des US-Vermittlers Dennis Ross deutete an, daß die USA neue Vorschläge auf den Tisch legen wollten. Von vertrauensbildenden Maßnahmen wie einem sechsmonatigen Siedlungsstopp, einem Teilrückzug der israelischen Armee im Oktober und einem Ende der Angriffe auf die Siedler war die Rede.

Jetzt steht der ohnehin äußerst labile Prozeß erneut vor dem Aus. Und der politische Druck zu Kompromissen, der in den vergangenen Monaten auf Ministerpräsident Netanjahu lag, wird jetzt auf den Schultern von Palästinenserpräsident Arafat ruhen. Die Aussetzung aller Verhandlungen, die vollständige Abriegelung der palästinensischen Gebiete und die israelischen Polizeimaßnahmen im Westjordanland selbst werden die Palästinenser sehr hart treffen.

Auch wenn sich der Unmut zuallererst gegen Israel richten wird, könnte auch Arafat angesichts der Erfolglosigkeit des Oslo-Prozesses unter innerpalästinensischen Druck geraten. Und der israelische Vorwurf gegen Arafat, eben zu wenig gegen den militärischen Arm von Hamas gemacht zu haben, ist angesichts der Fortdauer der Attentate nicht völlig aus der Luft gegriffen – auch wenn der palästinensische Unterhändler Sa'eb Ereikat erklärte, daß Westjerusalem bekanntlich ja der Sicherheitskontrolle der Israelis untersteht. Bislang jedenfalls fanden sich die Rekruten für die Selbstmordarmee der Hamas nicht nur, aber eben auch in den palästinensisch kontrollierten Gebieten.

Die wochenlange Aussetzung der Kontakte zwischen den palästinensischen und israelischen Geheimdiensten wird in Israel bei allen Parteien schlicht als grünes Licht für Hamas verstanden. Auch wenn die israelischen Vorwürfe eines Terrornetzes in der palästinensischen Polizei und die Ausstellung eines Haftbefehls gegen Polizeichef Ghazi Jabali übertrieben sein mögen, wollte ein palästinensischer Geheimdienstchef nicht ausschließen, daß auch einzelne Personen im Auftrage von Hamas oder anderen Gruppen die palästinensische Polizei infiltrieren.

Aber auch Netanjahu steht am Pranger. Sein Versprechen von Sicherheit und Frieden hat er nicht umsetzen können. Sicher auch, weil es keinen absoluten Schutz vor derartigen Anschlägen geben kann. Aber nur zwei Tage vor dem Anschlag hat er sich öffentlich damit gebrüstet, daß die Sicherheitslage in Israel besser sei als vordem unter der Arbeitspartei. Dabei hatte ihn der Geheimdienstchef noch kurz vorher im Parlament davon in Kenntnis gesetzt, daß Hamas Attentate vorbereite. Die demonstrative Härte Netanjahus, die jetzt in vollem Maße die Palästinenser trifft, ist ein indirektes Eingeständnis eigener Versäumnisse.

Wenn Wut, Empörung und Verzweiflung einmal abgeklungen sind, wird auch Netanjahu nicht an der Erkenntnis vorbeikommen, daß er mit den Palästinensern weiter verhandeln muß, wenn er nicht eine unkontrollierten Ausbruch der Gewalt in den besetzten und den Autonomiegebieten hinnehmen will. Der immer mal wieder ins Gespräch gebrachte Wiedereinmarsch der israelischen Armee in die palästinensischen Gebiete bedeutet dagegen nicht nur eine offene Kriegserklärung; die Terroranschläge werden dann mit Sicherheit zunehmen. Je enger dagegen die israelisch-palästinensische Sicherheitskooperation ist, desto weniger Chancen haben die Selbstmordattentäter. Und desto sicherer wäre der Frieden.

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