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Ein afrikanisches Tabu kommt vor Gericht

Simbabwes ehemaliger Präsident ist wegen Homosexualität und Mißbrauch Abhängiger angeklagt  ■ Von Kordula Doerfler

Johannesburg (taz) – Als er sein Land zur Hochzeit von Prinz Charles und Lady Di repräsentierte, konnte sich selbst die Queen eines Witzes nicht enthalten. „Herr Präsident, sind Sie allein hier, oder gibt es ein ganzes Bündel von Ihnen?“ soll Königin Elizabeth II. den Mann mit dem Namen gefragt haben, der immer wieder für Spott sorgt: Canaan Banana, methodistischer Pfarrer und erster, wenn auch nur symbolischer Präsident der ehemaligen britischen Kolonie Rhodesien nach der Unabhängigkeit.

Im gleichen Jahr, 1981, erließ sein Premierminister Robert Mugabe ein Gesetz, das in Simbabwe die Verspottung des Präsidenten mit bis zu sieben Jahren Haft strafbar macht. Strafbar sind in dem afrikanischen Land auch die Vergehen, derentwegen sich der 61jährige Banana jetzt in elf Fällen vor dem Obersten Gericht rechtfertigen muß: Homosexualität, Verführung und sexuelle Belästigung von Abhängigen. Von heute an steht der verheiratete Theologieprofessor und Vater von vier Kindern vor Gericht.

Die Vorwürfe gegen den früheren Präsidenten wurden erstmals im Februar dieses Jahres laut, gehen aber auf seine Amtszeit zurück. Sein ehemaliger Leibwächter Jefta Dube, der wegen Mordes an einem Kollegen zu zehn Jahren Haft verurteilt wurde, packte aus. Der Kollege hatte Dube als „Ehefrau Bananas“ gehänselt und damit nur ausgesprochen, was schon längst kein Geheimnis mehr war. Von 1983 bis 1986 soll Banana den jungen Mann sexuell belästigt und regelmäßig mißbraucht haben. Dube leidet heute an schweren psychischen Störungen und ist drogen- und alkoholabhängig. Nachdem Polizei und Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen Banana versprachen, sagten weitere ehemalige Untergebene aus. Ihre Namen sollen geschützt werden.

Der in Simbabwes Geschichte einzigartige Fall hat die Debatte um Homosexualität im gesamten südlichen Afrika wieder neu angeheizt. Das Thema ist in den überwiegend ländlich strukturierten Staaten Afrikas immer noch ein Tabu.

Robert Mugabe, seit 1988 Bananas Nachfolger als Präsident des Landes, hatte vor zwei Jahren selbst unbeabsichtigt dafür gesorgt, daß sich das ändert. Anläßlich der Eröffnung der größten afrikanischen Buchmesse in der Hauptstadt Harare beschimpfte er Homosexuelle als „Perverse“. Sie würden „niedriger als Hunde und Schweine“ stehen. Auslöser war, daß der Schwulen- und Lesbenverband von Simbabwe (Galz) einen Stand auf der Messe hatte.

Seine Äußerungen brachten Mugabe nicht nur scharfe Kritik aus aller Welt ein, sondern bewirkten auch, daß seither Homosexualität öffentlich thematisiert wird. Zwar durfte Galz im vergangenen Jahr nicht ausstellen – und wird es auch dieses Jahr voraussichtlich nicht dürfen. Das Thema ist jedoch nun mit dem Verfahren gegen Banana, das zeitgleich mit der diesjährigen Buchmesse beginnt, wieder auf der Tagesordnung.

Politiker in ganz Afrika geißeln Homosexualität immer wieder als „unafrikanisch“ und von den Kolonialmächten eingeschleppte „westliche Dekadenz“. Außerdem wird sie immer noch häufig für die Immunschwächekrankheit Aids verantwortlich gemacht, obwohl das statistisch unhaltbar ist.

Leuchtende Ausnahme ist Südafrika. In seiner ersten demokratischen Verfassung, die seit Ende vergangenen Jahres in Kraft ist, wird „gleichgeschlechtliche Orientierung“ in den Grundrechten geschützt – einzigartig auf der ganzen Welt. Zudem hat sich die Anglikanische Kirche Anfang des Jahres öffentlich für die Diskriminierung von Homosexuellen entschuldigt.

Die Realität sieht jedoch auch in Südafrika noch anders aus. Für Schwarze ist es aufgrund gesellschaftlicher Normen immer noch sehr schwer, sich öffentlich zur Homosexualität zu bekennen.

Immer wieder rufen Politiker im südlichen Afrika auch dazu auf, Homosexuelle zu denunzieren und der Polizei auszuliefern. Fälle von Schwulenhatz indessen wurden bisher weder aus Simbabwe noch aus anderen Ländern bekannt.

Daß es mit Banana nun gerade einen aus den Reihen der Politiker trifft, verleiht dem Prozeß gesellschaftlichen Sprengstoff. „Das Verfahren ist ein Test für die Demokratie, weil erstmals eine Figur des öffentlichen Lebens angeklagt wird“, sagt Reginald Matchaba- Hove, Vorsitzender des Menschenrechtsverbands.

Banana selbst beeilte sich zwar, die Vorwürfe als „krankhafte Lügenkampagne“ abzutun. Die Anklage erscheint jedoch hieb- und stichfest und legt den Verdacht nahe, daß die Parteiführung bis hin zu Mugabe von Bananas Neigungen und seinem sexuellen Mißbrauch gewußt haben. Doch die Führung schweigt bis jetzt die Sache tot. Der bisher „hochgeehrte“, politisch aber längst bedeutungslose Banana ist in der Partei offenbar fallengelassen worden. Zu den diesjährigen Unabhängigkeitsfeierlichkeiten im April, dem wichtigsten Staatsfeiertag in Simbabwe, war er nicht einmal eingeladen worden.

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