: V-Mann Steinmetz schwer belastet
Entgegen allen Beteuerungen der RAF soll Verbindungsmann Klaus Steinmetz 1993 vom bevorstehenden Anschlag auf den Neubau des Gefängnisses in Weiterstadt gewußt haben ■ Aus Berlin Wolfgang Gast
Der frühere V-Mann des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes, Klaus Steinmetz, wird von einer früheren Bekannten schwer belastet. Er soll entgegen seinen bisherigen Aussagen von den Plänen der Roten Armee Fraktion (RAF) gewußt haben, den Gefängnisneubau im hessischen Weiterstadt sprengen zu wollen. Mit einem Sprengstoffanschlag hatte ein „Kommando Katharina Hammerschmidt“ am 27. März 1993 den Neubau in Trümmer gelegt, es entstand ein Schaden von rund 130 Millionen Mark.
Klaus Steinmetz war der einzige V-Mann, den die Verfassungsschützer an die sogenannte Kommandoebene der RAF heranspielen konnten. Er war es auch, der die Fahnder drei Monate nach Weiterstadt nach Bad Kleinen zu einem Treff mit zwei Mitgliedern der RAF führte. Der Versuch diese festzunehmen, endete in einem desaströsen Polizeieinsatz. Ein GSG-9-Beamter kam bei der Schießerei ums Leben, das RAF- Mitglied Wolfgang Grams wurde unter bis heute nicht geklärten Umständen erschossen. Die RAF- Frau Birgit Hogefeld wurde verhaftet, Steinmetz flog im Anschluß an den Einsatz als V-Mann auf.
Nach der Enttarnung von Klaus Steinmetz (37) kam die Frage auf, wieweit der V-Mann tatsächlich in die Strukturen der RAF eingebunden, und ob er über den bevorstehenden Anschlag in Weiterstadt unterrichtet war. Falls er eingeweiht war, was wußte und was tat dann der Verfassungsschutz?
Die Karlsruher Bundesanwaltschaft verdächtigt unter anderem die 31jährige Andrea Wolf, eine frührere Bekannte von Steinmetz, an den Vorbereitungen zu Weiterstadt beteiligt gewesen zu sein. Andrea Wolf ist 1995 untergetaucht. Sie soll sich zumindest im November 1996 laut PKK-Chef Abdullah Öcalan „zur Zeit in Kurdistan an der Front“ aufgehalten haben.
Die inhaftierte Birgit Hogefeld und die RAF haben wiederholt eine Beteiligung von Steinmetz an dem Sprengstoffanschlag dementiert. Hogefeld erklärte im Januar 1996, „daß es keine wie auch immer geartete Beteiligung oder Einbindung von Steinmetz in die Weiterstadt-Aktion oder andere Aktionen der RAF gegeben hat“. Die RAF bezeichnete in einer Erklärung vom 29. November 1996 die Vermutungen als „Staatsschutzpropaganda, ...um uferlose Kriminalisierungen zusammenkonstruieren zu können. Das ist so unwahr wie unrealistisch. Die Tatsache, daß unser Kommando gut eine Tonne Sprengstoff in Weiterstadt benutzte... zeigt, wie absurd diese Geschichte ist. Natürlich weiß der Staat, daß die von ihnen angegebene wesentlich geringere Menge Quatsch ist. Aber selbst um diese zu transportieren, würde uns was besseres einfallen, als ,Szene‘-Motorräder zu benutzen.“ Dieser „Unsinn“ solle „die Verfolgung einer Genossin wegen angeblicher Beteiligung in Weiterstadt ermöglichen“.
Besagte Genossin ist Andrea Wolf. In einem Schreiben (an die RAF), das der taz vorliegt, widerspricht sie der Version der RAF: „Mir hat Steinmetz auf jeden Fall im Dezember 1992 gesagt, daß die Sprengung eines Knastes bevorsteht. Daß es sich um Weiterstadt handelt, hat er zwar nicht nicht explizit gesagt, aber es war klar, weil es ja nicht ein belegter Knast sein konnte.“ Steinmetz habe ihr erklärt, die RAF wolle mit einem „großen Knall“ eine in der linken Szene schon existierende Knastkampagne aufgreifen. Er sei von der RAF gebeten worden, die Meinung der „legalen Linken“ dazu einzuholen. Wolf schreibt auch, sie sei nicht die einzige gewesen, „mit der er darüber gesprochen hat“.
Der Bundesanwaltschaft dürften die neuen Äußerungen Wolfs ungelegen kommen. Unmittelbar nach dem Desaster von Bad Kleinen ermittelte sie gegen den V-Mann unter dem Verdacht, dieser habe sein Wissen über den Anschlag möglicherweise verschwiegen. Steinmetz selbst äußerte sich in Vernehmungen widersprüchlich. Zuerst wollte er vorab über einen ihm zugestellten Kassiber gefragt worden sein, was er von einer solchen Aktion halte. Wenig später widerrief er und gab an, die „Kassibergeschichte“ erfunden zu haben. Er habe den Vernehmungsbeamten „klarmachen wollen, welches großes Vertrauen ich in der Szene genossen habe“. Im Frühjahr 1994 wurde das Ermittlungsverfahren gegen Steinmetz eingestellt. Mittlerweile wurde aber ein neues Verfahren gegen ihn eingeleitet, ein Haftbefehl auf Antrag der Bundesanwaltschaft jedoch außer Vollzug gesetzt. Steinmetz lebt heute mit neuer Identität im Ausland. Man darf gespannt sein, ob die neuen Aussagen Wolfs Konsequenzen für ihn haben. Kommentar Seite 10
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