: Rühe: Straffällige Rechte abtreten
■ Der Verteidigungsminister will umfassende Auskunftspflicht an Kreiswehrersatzämter, um straffällige rechte Jugendliche von der Bundeswehr fernzuhalten. Kritik vom Datenschutzbeauftragten und Bundesjustizministerium
Berlin (taz) – Bundesverteidigungsminister Volker Rühe (CDU) sorgt sich um das Image der Bundeswehr. Nach dem jüngsten Vorfall in Dresden, bei dem zwei Rekruten ein Ausländerwohnheim anzündeten, will er rechtsextremistische Straftäter von vornherein von der Truppe fernhalten. Polizei und Justizbehörden sollten künftig den Kreiswehrersatzämtern alle Straftaten, auch Jugendstrafen auf Bewährung, mitteilen. Ein Sprecher des Verteidigungsministerium erklärte gestern, für die Bundeswehr sei der Dresdner Vorfall ein „doppeltes Ärgernis“. Die Täter seien zwar der Polizei wegen früherer ausländerfeindlicher Straftaten „hinlänglich bekannt gewesen, der Bundeswehr aber nicht“.
Würde Rühes Vorschlag umgesetzt, hätte dies weitreichende gesetzliche Änderungen zur Folge. Bislang erhalten die Kreiswehrersatzämter nur einen Auszug aus dem polizeilichen Führungszeugnis des Wehrpflichtigen. Darin werden nach dem Bundeszentralregister-Gesetz allerdings Jugendstrafen unter zwei Jahren auf Bewährung gar nicht aufgeführt. Die im selben Gesetz vorgesehene „unbeschränkte Auskunft“ aus dem Bundeszentralregister gilt nur in engen Grenzen. Eine derart weitgehende Information der Kreiswehrersatzämter sei durch die gegenwärtige Gesetzeslage „nicht gedeckt“, erklärte gestern die Sprecherin des Bundesbeauftragten für Datenschutz. Zwar habe ihre Behörde Verständnis für Rühes Vorschlag, eine gesetzliche Änderung müsse aber „zielorientiert definiert“ sein. Vor allem dürften die Schranken beim Jugendrecht nicht außer acht gelassen werden. Schließlich könne es nicht angehen, daß die Kreiswehrersatzämter von jeder Straftat, etwa einem Ladendiebstahl oder kurze Jugendstrafen, Kenntnis erhielten. Für besonders problematisch hält die Sprecherin auch die Weitergabe polizeilicher Daten. Zum einen seien hierfür die Länder zuständig, zum anderen in den Polizeicomputern der Länder häufig nur „Tatverdächtigungen“ gespeichert. Sie lieferten in der Regel keine Auskunft über den Ausgang eines Verfahrens.
Zurückhaltend äußerte sich auch ein Sprecher des Bundesjustizministeriums. Der Vorschlag aus dem Verteidigungsministerium sei offenbar „nicht ganz durchdacht“. Die derzeit im Bundeszentralregister aufgeführten Straftaten würden „keinen Rückschluß auf die politische Motivation zulassen“. So sei etwa der ausländerfeindliche Hintergrund einer Körperverletzung aus dem Eintrag im Register nicht erkenntlich. Daß sich künftig manche Jugendliche durch Straftaten mit rechtem oder linkem Hintergrund dem Wehrdienst entziehen könnten und damit indirekt den Grundsatz der Wehrgerechtigkeit aus den Angeln heben, hält das Bonner Verteidigungsministerium für abwegig. Niemand begehe freiwillig eine Straftat, um der Einberufung zu entgehen. Severin Weiland Siehe auch Seite 5, Kommentar Seite 10
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