Auf der Halde lispelt der Schlagschwirl

■ Brachland um die Bremer Stahlwerke ist ein El Dorado für Vögel / Flächen werden restauriert

An ihm kommt kein Vogel ungesehen vorbei. Ob auf unwegsamen Bunkerdächern oder auf schwindelerregend hohen Lichtmasten, Arno Schoppenhorst steigt Vögeln nach. Der Diplom-Geograph arbeitet für den Verein Vogelbeobachtung im Bremer Becken. Längst ist ihm das Gebiet im Huchtinger Raum zu klein geworden. Seit Jahren beobachtet er auch im Hollerland und im Werderland, rund um das Stahlwerk, Pflanzen und Tiere. „Für Vogelfans sind die Feuchtbrachen am geplanten Industriepark eine Sensation,“meint Schoppenhorst.

Seit 50 Jahren ist die Hälfte der 1.000 ha Land um das Bremer Stahlwerk fast unberührt. In der Kampfzone zwischen Natur und Schwerindustrie haben Feuchtbrachen, Auengelände,Gewässer, Sanddämme und Industrieauf schüttungenneue Lebensräume eröffnet. „Das Gebiet ist wie eine Badewanne. Der Regen kann nicht abfließen. Um die Feuchtgebiete siedeln sich Pflanzen und Tiere an“, Schoppenhorst ist begeistert. Selbst die verwilderten Hausgärten des vor 50 Jahren abgerissenen Dorfes Bühren und die verlassen Ruinen der Häuser sind Bestandteil des biologischen Wohnangebotes für gefiederte Flugkörper.

Den Vogelkundler begeistert zum Beispiel das Schwarzkehlchen. „Mit über 20 Brutpaaren haben wir hier den größten Bestand in ganz Bremen“, sagt Schoppenhorst. Als eine der höchst gefährdeten Arten in Europa gilt das Blaukehlchen. Im Werderland gibt es den Piepmatz gleich in Scharen. 50 Brutpärchen tummeln sich in Sichtweite der Stahlküche. Glänzende Augen bekommt Schoppenhorst, wenn ein Wachtelkönig vor seinem Fernglas schwirrt. Der Vogel droht auszusterben. „Eine Sensation“, meint Schoppenhorst. Da nimmt man die Rohrweihen, die Sumpfohreulen und den Schlagschwirl schon fast als selbstverständlich hin.

„Den Tieren scheint die Nähe zur Schwerindustrie nichts auszumachen. Da das Werksgelände des Stahlwerkes und die angrenzenden Gelände von Menschen wenig betreten werden, finden in dem störungsfreien Raum auch sehr scheue Tiere ihre geschützten Nester. Hier wildern nur die Turmfalken unter den Vogelküken,“meint Arno Schoppenhorst. Der Lärm und Gestank sind ungemütlich. Nachts gleißen die Werksscheinwerfer. Aber der lichtscheue Dachs läßt sich davon nicht beeindrucken und schnürt zwischen den Kokshalden. Bräsig flezt sich die Knoblauchkröte in ihrem Loch und stinkt gegen den Schwefelgeruch des Stahlwerks an. Selbst beim Stahlabstich, wenn es pfeift und kracht im Werk, glotzt sie behäbig, als läge sie mit einem Kissen im Fenster, um die Passanten mit stieren Blicken zu verfolgen. „Hier ist einer der ganz wenigen Standorte dieser Kröte in Bremen,“erklärt Schoppenhorst.

Die aktuellen Baumaßnahmen für den neuen Industriepark laufen auf Hochtouren. Experten wissen seit längerem um die Artenvielfalt im Werderland. „Ich glaube“, sagt Arno Schoppenhorst, „wenn man sensibel vorgeht und die Ausgleichmaßnahmen konzentriert, daß man wenigstens einem Teil der Vögel in den Randbereichen des Industrieparkes halten kann.“Ab September wird mit den ersten Baumaßnahmen im Naturschutzgebiet Werderland begonnen. Als Ausgleich werden Gräbengewässer im Naturschutzgebiet angelegt, Tümpel ausgehoben und Stauanlagen errichtet. Inwieweit die Vögel sich sowohl vom Industriepark als auch von der Renovierung ihres Geländes im Naturschutzgebiet Werderland beeindrucken lassen, kann heute niemand sagen. „Ich hoffe, sie nehmen auch das ökologisch aufgewertete Gebiet im Werderland an,“Arno Schoppenhorst ist nachdenklich, denn sicher ist er sich nicht. Thomas Schumacher