Ein Signal gegen Belästiger

■ Studie über sexuelle Belästigung bei den Grünen: 23 Frauen zum Teil mehrmals belästigt. Gegenmaßnahmen geplant

Bei einer Befragung über sexuelle Belästigung bei den Grünen haben 23 Frauen angegeben, zum Teil mehrfach in Parteizusammenhängen sexuell belästigt worden zu sein. Die Vorfälle reichen von „beharrlichen Annäherungsversuchen trotz Zurückweisung“ (sechs Fälle), „anscheinend ,zufälligen‘, vermeidbaren Körperberührungen“ (neun Fälle) bis zu „Po-Tätscheln“ (drei Fälle). In vier Fällen wurden Frauen von Frauen belästigt.

Die Sprecherin des Parteivorstandes, Birgit Daiber, erklärte gestern, mit der Präsentation der Ergebnisse solle ein Signal gesetzt werden, daß Belästiger in der Partei nichts verloren hätten. Anlaß für die Befragung waren Vorwürfe sexueller Belästigung, die im Herbst vergangenen Jahres gegen zwei Parteifunktionäre erhoben worden waren.

Die Fragebögen waren im April an die 1.100 weiblichen Parteimitglieder versandt worden, zurückgeschickt wurden 145 Exemplare. Die Ergebnisse seien nicht repräsentativ, ließen aber eine Reihe von Trendaussagen zu, sagte gestern Gitti Hentschel, die die 41seitige Studie im Auftrag der Grünen erstellt hat. Die Zahl der Fälle sei „nicht dramatisch, aber auch nicht zu vernachlässigen“. Bei der Studie handelt es sich um die erste, die sexuelle Übergriffe im Kontext einer Partei untersucht.

Die Mehrheit der belästigten Frauen war zum Zeitpunkt der Vorfälle zwischen 31 und 44 Jahre alt. Die Gruppe der unter 30 war am zweitstärksten betroffen. Besonders gefährdet sind laut Studie Frauen, die erst seit kurzem in der Partei aktiv sind, sowie Frauen, die Ämter und Mandate ausüben. Die Vorfälle ereigneten sich in etwa gleichem Umfang bei Veranstaltungen oder Arbeitstreffen sowie in eher geselligen Zusammenhängen.

Die Täter waren überwiegend zwischen 31 und 44 Jahre alt und in Parteifunktionen tätig. Gitti Hentschel zog daraus den Schluß, daß sexuelle Belästigung von Männern auch eingesetzt wird, um sich einer Machtposition zu versichern und weibliche Konkurrenz auszuschalten. Bemerkenswert ist auch, daß nur ein Drittel der belästigten Frauen sich an ParteifreundInnen wandte. Dies wertete Hentschel als Hinweis darauf, daß bei Bündnis 90/Die Grünen ein Klima herrsche, das Frauen eine Reaktion erschwere. Sexuelle Belästigung werde in den eigenen Reihen tabuisiert. Daher hätten Belästiger bislang recht sicher sein können, daß ihre Handlungen keine Konsequenzen nach sich zögen.

Das soll sich nun ändern. Wie Sprecherin Birgit Daiber und Frauenreferentin Anja Kofbinger erläuterten, soll beim nächsten Parteitag im November eine Satzungsänderung verabschiedet werden, die Sanktionen festlegt. Schwere Fälle sexueller Belästigung können mit Parteiausschluß geahndet werden. Für belästigte Frauen soll ein Vertrauensgremium eingerichtet werden. Mit Fällen, die auf diesem Weg nicht geklärt werden können, soll sich nach wie vor das innerparteiliche Schiedsgericht befassen.

Als vorbeugende Maßnahme können sich junge Frauen, die bei den Grünen aktiv werden, künftig an Mentorinnen wenden können. Diese sollen ihnen auch den Zugang zur Partei erleichtern. Dorothee Winden