: Straffreie Schüsse?
■ Verteidigung fordert Einstellung des Verfahrens gegen Antikommunisten
Im ersten Prozeß nach der Wende um Schüsse auf eine DDR- Grenzpatrouille hat die Verteidigung gestern vor dem Berliner Landgericht die Einstellung des Verfahrens gefordert. Die Justiz habe ihren Strafanspruch verwirkt, sagte der Anwalt, weil der inzwischen 70jährige Angeklagte bereits in einem anderen Verfahren für die Geschehnisse vom 9. Juli 1970 verurteilt worden sei. Der wegen Mordversuchs angeklagete Mann aus der rechten Szene soll damals im Beisein eines heute 61jährigen Mitangeklagten von einem selbstgebauten Podest von West-Berliner Gebiet aus auf zwei in Potsdam-Kleinglienicke eingesetzte DDR-Grenzsoldaten gefeuert haben. Die Grenzer blieben unverletzt. Wegen Beschädigung zweier US-amerikanischer Grenzschilder, die zum Bau des Podests verwendet wurden, war der 70jährige 1972 zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Inzwischen verbüßt der Mann eine elfjährige Haftstrafe wegen zweifachen versuchten Mordes. Grund: Er hatte 1988 bei einer Festnahme auf Polizisten geschossen.
In der DDR war der gelernte Dreher, der sich selbst als fanatischen Antikommunisten bezeichnete, fast zehn Jahre lang im berüchtigten Gefängnis Waldheim inhaftiert. Dort soll der 1952 wegen sogenannter Boykott-Hetze Verurteilte gefoltert worden sein. Zuvor hatte er eine antikommunistische Organisation gegründet. Der Prozeß wird am Dienstag fortgesetzt. dpa
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen