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Der Tritt auf den Hamster

■ Die Epstein Brothers feiern mit Klezmer, das von reiner Gebrauchsmusik zum Archivar chassidischen Brauchtums aufstieg, ein kleines Comeback

Für ahnungslose Ohren klingt es wie ein Gemisch aus Jahrmarktgedudel und Zirkusumzug. Unterlegt mit einem stampfenden Schlagzeug und unterbrochen von unverhofften Quietschklängen, die sich ein bißchen so anhören, als sei jemand versehentlich auf einen Hamster getreten. Doch wenn der Gesang anhebt, um die Vorzüge eines Mädchens zu preisen oder ungebrochene Leidenschaft und Fantum zur eigenen Musik zu bekennen, klingt das so tränenwarm, daß die Vorhänge in den Sälen aller jüdischen Gemeinden der USA nicht als Schneuztücher reichen mögen.

Max Epstein ist nicht nur der Älteste der drei legendären Epstein Brothers, sondern auch der älteste noch lebende Klezmer-Klarinettist. Hat man das Glück ganz weit vorne zu sitzen, kann man nicht nur den strengen Geruch des Kölnisch Wassers erhaschen, mit dem er sich zwischen den Nummern gerne die Stirnschneise zwischen den übriggebliebenen weißen Flaumfeldern abtupft, sondern seine markante Gesichtslandschaft bestaunen. Die geputzten Augen hinter Tränensäcken, die donnerwolkigen Augenbrauen – kein Zweifel, hinter jeder Hautfalte muß sich die komplette Geschichte der ehemaligen Hinterhofmusik verbergen.

Max Epstein wurde 1912 als Sohn polnisch-jüdischer Einwanderer in New York geboren. Mit sechs Jahren begann er Geige zu spielen, später Klarinette. Sein Großvater, ein Rabbi, führte ihn in die Klezmer-Tradition ein, die damals als stümperhaftes Humptata verpönt war. Die Musik hatte reinen Gebrauchswert als Unterhaltung auf Gemeindefesten, bis sie zum wichtigen Archivar jüdischen Brauchtums und chassidischer Musikkultur aufstieg.

In ihrer Blütezeit standen die Epstein Brothers viermal am Tag auf der Bühnne, bis sie in den 50ern nicht mehr gegen die Popmusik anfiedeln konnten und bald als Hintergrundcombo anderer Stars wie Frank Sinatra und später der Bee Gees von der Bühnen-rampe verschwanden. Seit ein paar Jahren feiert die Brüder ein bescheidenes Comeback und ziehen wieder durch die jüdischen Gemeinde-häuser der Welt. Petra Möbel Mo, 8. September, 21 Uhr, Fabrik

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