piwik no script img

Der Baum des Elends

tazThema: UmweltSonnabend/Sonntag, 6./7. September 1997Der Baum des Elends

Weiße Riesen machen sich die Finger schmutzig: Die Gewinnung der Rohstoffe für Waschmittel aus Kokosöl ist katastrophal. Konzerne profitieren doppelt

Wasch- und Reinigungsmittel, das weiß inzwischen jedes Kind, kommen nicht ohne Tenside aus. Deren biologische Abbaubarkeit ist deshalb – neben dem Verzicht auf Phosphate – ein entscheidendes Kriterium für Umweltverträglichkeit, das aber nur erreicht, wer die chemischen Saubermacher nicht aus Mineralöl, sondern aus pflanzlichen Rohstoffen, wie zum Beispiel Raps, vor allem aber Palmkern- und Kokosöl herstellt.

Der deutsche Marktführer Henkel gehörte zu den ersten, die mit solchen Öko-Argumenten auf ihre Produkte aufmerksam machten. „Unsere Rohstoffe wachsen ganz natürlich nach“, hieß es 1991 in einer Werbekampagne.

Das rief Leute auf den Plan, die es besser wußten. Vor allem in der evangelischen Kirche, genauer: beim Referat Kirchlicher Entwicklungsdienst im Diakonischen Hilfswerk Westfalen, hatte man sich schon länger mit dem Thema befaßt und nahm die Henkel-Reklame zum Anlaß, öffentlich klarzustellen, daß von „natürlichem“ Nachwachsen überhaupt keine Rede sein kann.

Kokos- und vor allem Ölpalmen stehen oft in Monokulturen und können nur mit Hilfe enormer Mengen von Pestiziden und Kunstdünger die geforderten Erträge bringen. Die Plantagenarbeiter bekommen von ihren Arbeitgebern in aller Regel trotzdem keinerlei Schutzkleidung; selbständigen Kleinbauern fehlt dafür ohnehin das Geld. Entsetzliche Verletzungen und Krankheiten sind die Folge.

Dabei läßt gerade die Kokospalme auf den Pflanzungen durchaus Raum für andere Nützlinge. Außerdem läßt sich aus ihr neben dem Öl noch eine Vielzahl anderer Produkte vom Strick bis zum Palmwein gewinnen. Sie könnte also ihrem Ruf als „Baum der Hoffnung“ alle Ehre machen.

Statt dessen spricht man auf den Philippinen, dem weltweit größten Kokosöl-Exporteur, schon lange vom „Baum des Elends“. Große Plantagen gibt es hier – zumal seit den Landreformen nach der Marcos-Diktatur – vergleichsweise wenig, und die Kleinbauern sind von den Diktaten der Zwischenhändler abhängig. Wegen rückläufiger Preise sind zudem – teils auf Behördendruck – viele kleine Anbauflächen zusammengefaßt und mit anderen Pflanzen wie zum Beispiel Bananen besetzt worden, obwohl solche Umnutzungen nach dem Landreformgesetz nicht ohne weiteres zulässig sind.

In Deutschland versucht der „PalmPool“, ein Zusammenschluß verschiedener Gruppen und Unternehmen, gegenzusteuern. Die „alternative Rohstoffbörse“ will den Markt für diejenigen Palmen- Farmer öffnen, die sich gegen ihre eigene und die Ausbeutung der Umwelt zur Wehr setzen. Auf den Philippinen haben sich rund 200.000 Kokosbauern, Pächter und Plantagenarbeiter zu einem Netzwerk zusammengeschlossen. COIR (Coconut Industry Reform Movement) kämpft für das Recht der Arbeiter auf Landbesitz, eine gerechtere Verteilung der Gewinne, das Recht zur Mitsprache und für eine nachhaltige Entwicklung der Kokosindustrie.

Von der „Nachhaltigkeit“ noch weiter entfernt ist man in Malaysia, dem mit 58 Prozent Weltmarktanteil bedeutendsten Anbauland für Ölpalmen. Um die insgesamt zwei Millionen Hektar großen Plantagen zu erhalten, werden jährlich bis zu 100.000 Hektar Regenwald abgeholzt. Über 150 Ölmühlen, die nicht nur mechanisch, sondern auch mit chemischen Methoden arbeiten, bringen Seen und Flüsse an den Rand des Kollapses. Die soziale Situation der Arbeiter auf den Großplantagen ist eher noch schlimmer als auf den Philippinen.

Die westlichen Großabnehmer, da sind sich die Experten einig, hätten trotz gegenteiliger Beteuerungen erhebliche Möglichkeiten zur Einflußnahme, die sie trotz eines immerhin gestiegenen Problembewußtseins aber weitgehend ungenutzt lassen. Alternativbetriebe versuchen dagegen schon seit Jahren mit einigem Erfolg zu intervenieren, indem sie entweder direkt mit bestimmten Lieferanten kooperieren oder im sogenannten „indirekten Transfer“ die Arbeit von Organisationen wie „Brot für die Welt“ unterstützen.

Für die großen Konzerne allerdings hat der Markt so, wie er jetzt ist, seinen Reiz, profitieren sie doch doppelt von den umweltschädigenden Anbaumethoden: Wenn sie eine Tonne in Monokulturen gewonnenen Palmöls abnehmen, haben sie den Produzenten zuvor schon rund 60 Kilogramm Kunstdünger verkauft. Jochen Siemer

Die Evangelische Akademie Iserlohn, das Projektereferat Kokossektor/nachwachsende Rohstoffe und der PalmPool e.V. veranstalten vom 12.–14. September eine Tagung: „Aktion Kokos – Perspektiven 2000“. Nähere Informationen und Anmeldung unter (02371) 352-143, Fax (02371) -169

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen