piwik no script img

Rentenreform wohl doch erst 1999

Wie lange hält die Ruhe in der Union nach dem Treffen in Andechs? Jetzt werden erst einmal die Ärmel hochgekrempelt: Die Koalition will ihren eigenen Rentenbeschluß zurücknehmen  ■ Von Felix Berth

Andechs (taz) – Die Pressekonferenz am Mittwoch abend hatte für die Union zwei Vorteile. Der erste: Sie dauerte nur gut zwanzig Minuten. Also waren nicht allzu viele Fragen möglich, und als der Kanzler sogar noch Gelegenheit für ein agrarpolitisches Fünfminutenreferat über Molkereistrukturen und Grünlandlandwirte fand, war klar: Der Dissens in der Union wird sich hier in Andechs nicht mehr zeigen. Der zweite Vorteil der Pressekonferenz war, daß Edmund Stoiber nicht dabei war. Die beiden Parteivorsitzenden von CDU und CSU saßen ganz ohne Stänkerer auf dem Podium. CSU- Generalsekretär Bernd Protzner war darüber sichtlich erleichtert: „Das sind Macher, richtige Macher“, sagte er stolz über seine Chefs – und wirkte ein bißchen verwundert, daß er sich in diesem erlauchten Kreis aufhalten durfte.

Trotz der allgemeinen Erleicherung in der Union und dem Signal von Einigkeit, das alle Beteiligten bieten wollten, stellt sich die Frage, ob der Geist von Andechs nicht bald seinen Geist aufgibt. Denn zwölf Monate vor der Bundestagswahl und den Landtagswahlen in Bayern sind wesentliche Differenzen innerhalb der Union noch immer nicht ausgeräumt. Allenfalls ein Minimalkonsens ist in der „Andechser Erklärung“ in Sachen Euro formuliert: Die gemeinsame Währung solle am 1. Januar 1999 „unter strikter Einhaltung der Stabilitätskriterien“ beginnen, lautet der Text. Doch daß sich Stoiber das Stänkerthema nicht nehmen läßt, war spätestens gestern schon wieder klar. Da verlangte der bayerische Ministerpräsident, daß auch Frankreich und Italien die Drei-Prozent-Defizitgrenze für den Euro nicht überschreiten dürfen. Für alle müsse das Kriterium Drei-Komma-Null lauten, so Stoiber. Die Währungsunion und das gemeinsame europäische Haus könnten nicht so gebaut werden, daß „die Deutschen das Haus mit Steinen errichten und die Franzosen vielleicht mit Holz, und die anderen es dann mit Pappmaché fertigstellen.“ Die Wahlen in Bayern finden kurz vor der Bundestagswahl statt, da kommt der Euro gerade recht, um sich gegen Bonn zu profilieren.

Ähnlich schwierig wird es für die Union in den nächsten Wochen beim Thema Rentenreform. Hier fürchtet die CSU eine Nullrunde für die Rentner, wenn die Reform 1998 mit allen Teilen in Kraft tritt. In Andechs haben sich CDU und CSU nach Angaben aus Unionskreisen aber wohl darauf verständigt, noch einmal einen Versuch zur Einigung mit der SPD zu machen. Sollte es aber nicht in nächster Zeit gelingen, die Sozialdemokraten in die Reform einzubinden, wolle die Union den Koalitionsbeschluß zurücknehmen, die Reform komplett auf 1998 vorzuziehen. Die Rentenreform würde dann wie ursprünglich geplant 1999 in Kraft treten. Angesichts dieser Peinlichkeit kann die Union geradezu froh sein, daß das vom Kanzler verordnete Schweigen in Sachen Kabinettsumbildung gestern nicht gebrochen wurde.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen