: „Wir brauchen mehr politischen Willen“
■ Christian Gruenberg vom argentinischen Korruptionskontrollprogramm Poder Ciudadano
Christian Gruenberg ist Direktor von Poder Ciudadano in Buenos Aires. Die Gruppe ist eine von 60 Ländergruppen, die bei der deutschen Transparancy International organisiert sind und gegen die Korruption kämpfen. Poder Ciudadano hat etwa 2.000 Mitglieder, 900 davon sind Geschäftsleute.
taz: Was tut Poder Ciudadano gegen Korruption?
Christian Gruenberg: Wir versuchen zum Beispiel sogenannte „Integritätspakte“ bei Verträgen zwischen Privatfirmen und staatlichen Einrichtungen zu etablieren. Darin verpflichten sich beide Seiten, nicht zu korrumpieren. Wenn eine Seite diese Regeln verletzt, muß die andere von dem Geschäft zurücktreten. Es ist also ein Vertrag zwischen zwei Parteien, die gewisse Regeln nicht verletzen wollen. Es braucht hierzu aber politischen Willen.
In der Provinz Mendoza arbeitet Poder Ciudadano bereits mit der Provinzregierung bei der Schaffung solcher Integritätspakte zusammen. Es gibt dort ein Büro für einen Generalinspektor, der weder zur Regierung gehört noch etwas mit der Regierungspartei zu tun hat. Er untersucht, wie Verträge zustande kamen, wer daran beteiligt ist, und was mit dem Geld geschieht. Das Problem ist normalerweise: Die Verträge lagern in irgendwelchen Schubladen. Die beste Form, Korruption zu kontrollieren ist aber, geschlossene Verträge öffentlich zu machen.
Wie sieht das konkret aus?
In Mendoza gibt es eine Computerdatenbank, mit der ein Bürger die Möglichkeit hat, die Verträge einzusehen. Dadurch erfährt er, was die Bedingungen sind, unter denen sie abgeschlossen wurden, und was die Pflichten der jeweiligen Vertragspartei sind. Früher war es für den Bürger unmöglich festzustellen, für wieviel Geld ein Vertrag abgeschlossen wurde. Für 10.000 Dollar, für eine Million? Jemand der im Krankenhaus arbeitet weiß, daß ein Pflaster keine zehn Cents kostet, sondern fünf. Mit dieser Öffnung der Bücher können die Bürger den Staat besser kontrollieren. Mit der Stadtregierung von Buenos Aires werden wir ein ähnliches Projekt in Angriff nehmen.
Was muß noch transparenter werden, um Korruption wirkungsvoll bekämpfen zu können?
Derzeit arbeiten wir gerade an einer Studie über die Wahlkampffinanzierung. Außerdem eröffnen wir eine Datenbank über argentinische Richter. Wir bitten sie bekanntzugeben, was sie studiert haben, wo sie studiert haben. Ebenfalls wollen wir eine Datenbank über argentinischen Politikern eröffnen. Vor den Wahlen füllen sie einen Fragebogen aus, was sie studiert haben, wo sie politisch aktiv waren, aus welcher Familie sie kommen.
Wie hoch ist in etwa der Schaden für die argentinische Wirtschaft, der durch die Korruption angerichtet wird?
Es gibt darüber keine genauen Zahlen. Man sagt, daß durch die Korruption Verluste in Höhe von 20 Milliarden Dollar pro Jahr eingefahren werden. Aber Genaues herauszufinden ist sehr schwierig. Interview: Ingo Malcher
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