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Mutter in der Quotenbresche

■ Menschliches Geplauder am öden Samstagnachmittag: „Conrad & Co.“, ab heute immer samstags, 16 Uhr, ZDF

ZDF-Chefredakteur Klaus Bresser ließ es sich nicht nehmen, uns Susanne Conrad höchstselbst ans Herz zu legen. Wieder und wieder hob er dabei lobend ihre journalistische Kompetenz hervor. Susanne Conrad ist die Brünette, die – bis vor kurzem im Schatten von Blondschopf Nina Ruge – zu später Stunde das Nachrichten-Journal „heute nacht“ moderiert. Chefredakteur Bresser vergaß aber auch nicht, als weitere Qualifikation besonders zu erwähnen, daß Susanne Conrad dreifache Mutter ist – was ihre menschliche Kompetenz unterstreichen soll.

Bei der jüngsten Neubesetzung im wichtigen „heute“-Journal nützte Dreifachmutter Conrad dieses Prädikat allerdings wenig. Dahin kommen nämlich nur „Leute, die im Haus schon Kompetenz hatten“: Redaktionsleiter, Hauptabteilungsleiter, langjährige Auslandskorrespondenten, Bresser-Stellvertreter. Und das sind – Bresser bedauert's, frau mag's ihm glauben oder nicht – bisher eben alles Männer und keine Mütter.

Die müssen an anderer Stelle in die Quotenbresche springen – am öden Samstagnachmittag. Seit Vielfachmutter Hera Lind beim ZDF abgängig ist, herrscht dort jedoch ein beängstigendes Mutter- Vakuum. Das soll Susanne nun mit „Conrad & Co“ füllen, sozusagen als Personifizierung des von ZDF- Intendant Dieter Stolte soeben auf der IFA beschworenen neuen Image seines Senders als „humaner Partner des Zuschauers“ mit „Programm von Menschen für Menschen“. Über alles will Menschin Conrad „Menschen wie du und ich“ ins Gespräch bringen – alles Menschliche eben. Außer Politik. Doch im bösen „Vernichtungswettbewerb“ auf dem Fernsehmarkt, den der Intendant so bitter beklagt, darf auch Mutter Conrad nichts dem Zufall überlassen: Ihr Studiopublikum wird von einer Kölner Casting-Agentur zielgruppengerecht zusammengesucht und die Palaver Wochen vorher aufgezeichnet. Zur taufrischen Frage der Auftaktsendung „Schweres Erbe?! – Erfolgreiche Eltern“ könnte Sendeplatz-Erbin Susanne selbst ein Lied singen. Sie trägt nicht leicht am Erbe von Übermutter Hera. ZDF-Chefs stellen zwar gern Entrüstung zur Schau, wenn man sie nach ihren Zielvorgaben fragt, schmeißen aber die Republik mit krampfigen Erfolgsmeldungen zu. Auch jetzt werden die „Lind & Leute“-Zahlen gestreut: Stolze 13,5 Prozent Samstagsnachmittagsgucker seien's gewesen – für Susanne C. das Mindestsoll. Ein Erfolgsdruck, der den Griff in die Klamottenkiste vorprogrammiert. Zumal wenn zeitgleich nach acht Wochen der „Schattenspringer“ knappkantig gekippt wird.

So wundert Susanne Conrads tatsächlicher Einstand kaum. Keineswegs versucht sie mit „Menschen wie du und ich“ dem angegrapschten Thema neue Seiten abzugewinnen. Statt dessen kommt eine Nummer-Sicher-Nummer, die auf hohen Escape-Wert beim Durchschnitts-Fernsehgucker spekuliert: Es plaudern Eduard Prinz von Anhalt, der – offensichtlich im Di-Fieber – als „Verwandter des britischen Königshauses und Vater von drei Prinzessinnen“ eingeführt wird, Harald Juhnkes Sohn Peer, Horst Buchholz' Sohn Christoph samt Vater und Mutter Myriam und Musicalstar Uwe Kröger über Last oder Leichtigkeit ererbten Erfolges. Oh, Mutter, was für ein Erfolg. Ulla Küspert

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