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Schröder gibt der SPD die Linie vor

■ Unter Federführung von Gerhard Schröder hat die SPD ihre Wirtschaftspolitik formuliert. Unternehmenssteuern sollen sinken, Arbeitslosigkeit soll halbiert werden. Oskar Lafontaine steht hinter dem Leitantrag zum Parteitag

Hannover (taz) – Auch in der Wirtschaftspolitik schreiten die SPD-Spitzengenossen Oskar Lanfontaine und Gerhard Schröder jetzt Seit' an Seit'. „Innovationen für Deutschland“ ist ein Leitantrag für den kommenden SPD-Parteitag überschrieben, über den der SPD-Parteivorstand heute beraten wird. Der Wirtschaftsgenosse Schröder und die Bonner SPD- Fraktionsvize Anke Fuchs haben ihn verfaßt. Parteichef Lafontaine versicherte schon gestern, die gesamte SPD-Spitze stehe geschlossen hinter dem 27seitigen Papier, das als Mischung aus SPD-Innovationskongreß und den jüngsten Schröderschen Wirtschaftsthesen daherkommt.

In dem Leitantrag für den SPD-Parteitag in Hannover, der „Deutschland einen Aufbruch nach vorne und einen Politikwechsel“ verspricht, werden Forschung, Bildung, Mittelstandsförderung, ökologische Modernisierung, Arbeitsförderung und eine „systematische“ Entwicklung des Dienstleistungssektors“ gleichermaßen abgehandelt. Mit konservativen Konzepten von gestern, so heißt es einleitend, werde die Modernisierung von Wirtschaft, Staat und Gesellschaft nicht gelingen. Da Deutschland seine Wettbewerbsfähigkeit nicht in einem Kostensenkungswettlauf sichern könne, müsse es sich auf seine Stärken besinnen: „Erfindergeist und Leistungsbereitschaft, Qualifikation und technologischer Vorsprung, Disziplin und Gemeinschaftssinn“.

Im einzelnen beinhaltet die „Innovationspolitik mit breitem Ansatz und langem Atem“ etwa flexible Arbeitszeiten, damit die Maschinenlaufzeiten verlängert werden können, ohne daß einzelne Arbeitnehmer länger arbeiten müssen. Auch eine Reform der Flächentarifverträge durch differenzierte Vereinbarungen auf betrieblicher Ebene wird Gewerkschaften und Unternehmern anempfohlen. Die Arbeitslosigkeit soll vor allem „durch neue Formen der Arbeitsorganisation, flexible kürzere und differenzierte Arbeitszeiten und neue Ansätze der Arbeitsmarktpolitik“ bekämpft werden. Dies soll durch „Überstundenabbau, mehr Teilzeitarbeitsplätze und beweglichere Lebensarbeitszeiten“ geschehen. Einen Niedriglohnsektor will die SPD-Spitze künftig bedingt über eine Entlastung von Sozialversicherungsbeiträgen fördern: „Für neue Arbeitsplätze mit niedrigen Stundenlöhnen sollen die Mittel, die bisher für die Finanzierung von Arbeitslosigkeit verwendet werden, zur Entlastung von Sozialversicherungsbeiträgen dienen.“

Schröder und Fuchs wollen auch Sozialhilfeempfängern künftig vermehrt „Anreize zur Arbeitsaufnahme“ bieten. Bei Teilzeitbeschäftigungen von Sozialhilfeempfängern soll nur noch die Hälfte des Dazuverdienten auf die Sozialhilfe angerechnet werden. „Im Gegenzug zu diesen positiven Anreizen für eine Arbeitsaufnahme werden wir die gesetzlichen Möglichkeiten anwenden, die sicherstellen, daß Sozialhilfeempfänger angebotene Arbeitsplätze auch annehmen“, droht das Papier.

Auch Staat, Verwaltungen und die sozialstaatlichen Sicherungssysteme sollen gründlich reformiert werden. Bei der „ökologischen Modernisierung“ stehen in dem Papier die „Selbstverpflichtungen der Wirtschaft“ zu mehr Umweltqualität noch vor der Ökologischen Steuerreform, die der SPD immerhin „auch von zentraler Bedeutung“ bleibt. Jürgen Voges

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