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Juni 1989 bleibt Konterrevolution

■ Chinas Justizminister: Begnadigung von Wei Jingsheng möglich, Studentenführer Wang Dan soll in Haft bleiben

Peking (dpa/AFP/AP) – Chinas Regierung erwägt eine Begnadigung des Regimekritikers Wei Jingsheng aus gesundheitlichen Gründen. Ein Gericht müsse die Diagnose bestätigen, daß Wei unter ernsten Gesundheitsproblemen leide, sagte gestern Justizminister Xiao Yang auf einer Pressekonferenz am Rande des KP-Parteitages in Peking. Er fügte hinzu, daß eine Amnestie für den inhaftierten Studentenführer Wang Dan aus den gleichen Gründen nicht in Frage komme.

Xiao lehnte auch eine Neubewertung der Ereignisse um die Niederschlagung der studentischen Demokratiebewegung von 1989 ab. Die Parteiführung hat die Demonstrationen als subversiv eingestuft und damit die gewaltsame Unterdrückung gerechtfertigt. Auf dem Parteitag kursiert ein Brief, der von dem in Zusammenhang mit den Ereignissen gestürzten Pekinger Parteichef Zhao Ziyang stammen soll. Dieser hatte sich für eine friedliche Auseinandersetzung mit den demonstrierenden Studenten stark gemacht. Xiao erklärte, die Partei habe ihr Urteil über die Vorfälle von 1989 vor langer Zeit gefällt („konterrevolutionärer Aufstand“) und werde es nicht ändern.

Nach Angaben der Familie von Wei Jingsheng leidet der – von sechs Monaten abgesehen – seit 18 Jahren inhaftierte Dissident unter Bluthochdruck sowie Magen- und Herzschwäche. Nachdem Wei von anderen Häftlingen zusammengeschlagen worden sei, sei auch sein Genick nicht in Ordnung.

Dem inhaftierten Studentenführer Wang Dan warf der Justizminister vor, sich krank zu stellen. „Sein gegenwärtiger Gesundheitszustand ist gut, deswegen erfüllt er nicht die Bedingungen für eine Freilassung aus medizinischen Gründen.“ Wang war nach einer Haftstrafe wegen der Demonstrationen auf dem Platz des Himmlischen Friedens 1989 im vergangenen Jahr erneut ins Gefängnis gesteckt worden. Die Mutter Wangs, Wang Lingyun, beschrieb den Zustand ihres Sohnes als sehr ernst. Insbesondere eine Halsinfektion mache ihm zu schaffen. Außerdem müßten Hirn und Magen untersucht werden. Ihren Worten zufolge ist der Zustand Wangs dem Justizministerium bekannt.

Der Justizminister wies auch westliche Kritik an der wachsenden Zahl von Hinrichtungen in China zurück. Obwohl China mit mehr als 3.500 Exekutionen im vergangenen Jahr weltweit einsam an der Spitze lag, sagte Xiao: „Tatsächlich gibt es nur eine sehr begrenzte Zahl von Menschen, die hingerichtet werden.“ Es gebe „strenge Grenzen“ für die Todesstrafe, die nur für schwere Verbrechen verhängt und von höheren Instanzen bestätigt werden müßten.

Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation amnesty international wird in China verstärkt die Todesstrafe angewendet, die schon bei Diebstahl verhängt werden kann. Viele Gefangene erhielten keinen gerechten Prozeß. Es würden auch nicht alle Hinrichtungen bekannt, so daß die Dunkelziffer noch höher liegen kann.

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