: „Mildes“ Urteil
■ Öffentlicher Protest siegt über stille Diplomatie
Das zumindest angesichts der Befürchtungen milde Urteil gegenüber Faradsch Sarkuhi hat viele Väter und Mütter. Zunächst kann der neue iranische Staatspräsident Chatami es als einen Sieg für sich verbuchen, weil er sich wieder einmal gegen die Hardliner im iranischen Justizapparat durchsetzen konnte. Er hat den mächtigen Chef der Revolutionsgarden zum Rücktritt gezwungen, er hat sein Kabinett vollständig durch das konservativ beherrschte Parlament bestätigen lassen. Er mußte auch diesen Sieg erringen. Denn der Fall Faradsch Sarkuhi hatte sich für den neuen Präsidenten nach und nach zu einer innen- und außenpolitischen Nagelprobe entwickelt. Viele iranische Intellektuelle hatten in den letzten Wochen den Präsidenten öffentlich gemahnt, seine Glaubwürdigkeit hänge unmittelbar mit dem Schicksal Sarkuhis zusammen.
Es gab nicht wenige Iraner, die befürchteten, Sarkuhi könnte wegen Spionage zum Tode verurteilt werden. Daß die iranische Justiz nun sogar den Vorwurf der illegalen Ausreise fallenläßt und sich auf ominöse Propaganda gegen die Iranische Republik beschränkt, das hat in der Tat viele Kenner der iranischen Politik überrascht. Dieses Urteil bedeutet, daß Sarkuhi bereits im Januar 1998 aus dem Gefängnis entlassen werden muß.
Die Mutter des Urteils ist die europäische und vor allem die deutsche Öffentlichkeit, die Faradsch Sarkuhi nicht in Vergessenheit geraten ließ und die Außenminister Irans und Deutschlands zwang, mehrmals öffentlich in diesem Fall Stellung zu beziehen. Ohne diese internationale Öffentlichkeit hätte Faradsch Sarkuhi von seinen Richtern alles erwarten können, aber mit Sicherheit nicht diesen glimpflichen Ausgang.
Nicht im stillen Kämmerlein, wie manche Diplomaten behaupten, sondern mit einer engagierten Öffentlichkeit im Rücken läßt sich für die Menschenrechte effektiv eintreten. Das ist die Lehre, die man aus dem Fall Sarkuhi ziehen muß. Ob er allerdings das Land je verlassen und seine Familie wiedersehen kann, ist fraglich. Die Regierung in Teheran weiß, daß er inzwischen zu einem der bekanntesten Iraner gehört, der der europäischen Öffentlichkeit Zeugnis über die Verhältnisse in den iranischen Gefängnissen und die Methoden der islamischen Justiz ablegen könnte. Ali Sadrzadeh
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