: Streit um Selbstmordattentäter von Jerusalem
■ Israels Geheimdienst verstrikt sich in Widersprüche über seine Ermittlungen
Jerusalem (taz) – Die israelische Regierung hat gestern Vorwürfe der Opposition zurückgewiesen, die Bekanntgabe der Identität von vier der fünf Selbstmordattentäter absichtlich zurückgehalten zu haben. In einer Sondersitzung der Knesset wiederholte die Opposition dagegen ihre Anschuldigung, Netanjahu habe sich die Bekanntgabe persönlich vorbehalten, um so einen Propaganda-Erfolg zu landen. Netanjahus Sprecher erklärte, der Inlandsgeheimdienst Schin Beth habe über den Zeitpunkt der Bekanntgabe selbst entschieden. Die Verzögerung sei entstanden, weil die Angehörigen ihre Söhne zuvor hätten identifizieren müssen.
Nach einer tagelangen Belagerung mehrerer palästinensischer Dörfer im Norden des Westjordanlandes hatte die israelische Polizei bereits am Wochenende vier der fünf Selbstmordattentäter identifizieren können. Alle vier stammen aus dem Dorf Asira Shamaliya in der Nähe der Stadt Nablus.
Laut Oslo-Abkommen untersteht die Sicherheitskontrolle dort israelischen Militär- und Polizeikräften. Die zivile Autorität liegt in den Händen der palästinensischen Behörden. Bei den beiden Selbstmordanschlägen Ende Juli und Anfang September in Jerusalem waren neben den fünf Attentätern 20 Personen getötet und mehr als 200 verletzt worden.
Nach israelischen Polizeiangaben wurde die Identität der vier jungen Männer durch DNA-Analysen von Angehörigen festgestellt. Dorfbewohner berichteten im Fernsehen, daß die israelische Polizei während der Belagerung zahlreichen Einwohnern Blutproben abgenommen habe.
Die Angehörigen zeigten sich ungläubig und erstaunt über die Nachricht vom Tod ihrer Söhne. Die vier jungen Männer standen auf einer Fahndungsliste mit 88 Namen, deren Festnahme Israel immer wieder von der palästinensischen Autonomiebehörde verlangt hatte. Die vier waren nach den Selbstmordanschlägen im vergangenen Frühjahr von der Autonomiebehörde in Haft genommen worden, im September 1996 jedoch wieder aus dem Gefängnis von Nablus ausgebrochen und seither untergetaucht.
Die israelischen Sicherheitskräfte haben in den vergangenen Wochen rund 500 mutmaßliche Hamas-Aktivisten festgenommen und verhört. Ob die Polizei dabei auf die Spur der Täter kam, blieb unklar. Der Chef des militärischen Geheimdienstes, Moshe Ya'alon, hatte am Dienstag vor dem Verteidigungsausschuß der Knesset behauptet, die palästinensischen Geheimdienste hätten die erforderlichen Details geliefert.
Die palästinensischen Behörden hatten bislang stets erklärt, die Täter seien aus dem Ausland gekommen. Arafat-Stellvertreter, Mahmud Abbas sagte, die palästinensischen Behörden seien von Israel absichtlich falsch informiert worden. Nur aufgrund israelischer und US-amerikanischer Informationen habe die Autonomiebehörde angenommen, daß die Täter aus dem Ausland stammten. Georg Baltissen
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