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Der FDP-Politiker Rainer Brüderle will die Banken stärker kontrollieren. Der Gesetzentwurf des rheinland-pfälzischen Wirtschaftsministers, den er heute im Bundesrat einbringt, zielt darauf ab, die Machtkonzentration der Banken einzuschränke

Der FDP-Politiker Rainer Brüderle will die Banken stärker kontrollieren. Der Gesetzentwurf des rheinland-pfälzischen Wirtschaftsministers, den er heute im Bundesrat einbringt, zielt darauf ab, die Machtkonzentration der Banken einzuschränken. Höchstbeteiligungen an Industrieunternehmen sollen festgelegt, die Höchstzahl der Aufsichtsratsposten halbiert werden

Mit Paragraphen gegen das große Geld

Rainer Brüderle macht zur Zeit eine Erfahrung, die FDP-Männern ansonsten selten zuteil wird: Die Banken sprechen dem Wirtschaftsminister aus Rheinland- Pfalz „jedes ökonomische Verständnis“ ab. Und auch Parteifreunde in Bonn unterstellen ihm starren Dirigismus. Anlaß für die herbe Kritik ist der Gesetzentwurf, den Brüderle heute im Bundesrat einbringt. Er zielt darauf ab, die Machtkonzentration der Kreditinstitute ein wenig anzukratzen.

Das scheint dringend notwendig. Denn die deutschen Banken haben nicht nur ein Netz gesponnen, das für Außenstehende nicht zu durchschauen ist. Als Kreditgeber haben sie auch intensiven Einblick in die Bücher der Betriebe. Hinzu kommt, daß private Aktionäre ihnen meist pauschal ihr Stimmrecht übertragen – bei Hauptversammlungen verfügen die Banker deshalb fast immer über Mehrheiten, die auch einen Erich Honecker zufriedengestellt hätten. Auf diese Weise inthronisieren sie Aufsichtsräte, die wiederum ihnen genehme Vorstände berufen. Eine Kontrolle von außen gibt es faktisch nicht.

Nur bei spektakulären Pleiten wie der des Bauimperiums Schneider oder des Bremer Vulkan erfährt die Öffentlichkeit vom Versagen der Bankenmanager. „Aber die fallen immer weich. Sie schützen sich gegenseitig, tragen praktisch kein Risiko und zahlen sich fürstliche Gehälter“, empört sich Jochen Knoesel, Chef des Vereins zur Förderung der Aktionärsdemokratie.

„Maßnahmen zur Begrenzung der Bankenmacht müssen an diesen Einflußfaktoren ansetzen“, hat Minister Brüderle erkannt. So will er dafür sorgen, daß die Geldhäuser höchstens mit zehn Prozent an einem Unternehmen beteiligt sind. Schon wenn ihr Anteil fünf Prozent der Aktien übersteigt, sollen sie nicht mehr pauschal für die Kleinaktionäre, die bei ihnen ein Depot haben, mitvotieren dürfen. Und auch als Hauptkreditgeber gelten sie nicht mehr als seriöse Vertreter der privaten Anleger.

Einige Paragraphen des Gesetzentwurfs widmen sich den Aufsichtsräten. Sie müssen nicht nur häufiger anrücken als bisher. Brüderle will jedem Vorstandskontrolleur auch höchstens fünf Mandate zugestehen, weil mehr nicht zu schaffen sei; bisher erlaubt das Gesetz zehn dieser lukrativen Nebenjobs.

Aufsichtsräte berufen ihnen genehme Vorstände

Und schließlich reagiert der FDP- Wirtschaftsminister auch auf Fälle wie den Krupp-Thyssen-Skandal, wo ein Bankenvertreter in beiden Aufsichtsräten saß und so die Geschäftsgeheimnisse an die Konkurrenz ausplauderte. So etwas darf nach Vorstellung des FDP-Ministers künftig nicht mehr möglich sein.

Mit dem Vorschlag brüskiert der Wirtschaftsminister aus Mainz viele Parteifreunde in Bonn. Die haben nämlich zusammen mit dem großen Koalitionspartner einen Referentenentwurf erarbeitet, um nach den Pannen bei der Metallgesellschaft, Schneider und Balsam der Öffentlichkeit zu demonstrieren, daß sie etwas tun. Doch Brüderle qualifiziert das Papier harsch ab: „Die vorgesehenen Lösungen sind oft halbherzige Formelkompromisse, denen man anmerkt, daß Konsens nur durch den kleinsten gemeinsamen Nenner erzielt werden konnte.“

Der FDP-Bundestagsabgeordnete Detlef Kleinert, der am Referentenentwurf der Koalition mitgearbeitet hat, gibt Contra: mit Vorschriften komme man nicht weit. Man solle sich doch lieber darauf verlassen, daß sich die Banker wie Gentlemen verhielten, anstatt ihnen formal vorzuschreiben, daß sie nicht in Konkurrenzunternehmen sitzen dürften. „Bei den heutigen Gemischtwarenkonzernen treten da überall Überschneidungen auf“, so der FDP-Parlamentarier. Und abgesehen davon: die Konzerne seien inzwischen so verschachtelt, daß eine Einhaltung derartiger Vorschriften gar nicht zu überprüfen sei.

Die Versicherungsbranche bleibt außen vor

Auch der Vorschlag über eine Höchstbeteiligung der Banken bei Industrieunternehmen ist für Kleinert völlig unakzeptabel und von seiten eines „liberalen Ministers nicht zu verstehen“. Das Ende vom Lied werde ein massiver Verlust von Arbeitsplätzen in Deutschland sein, droht Kleinert. Denn wenn sich die Banken von großen Aktienpaketen trennen müßten, würden ausländische Konzerne zugreifen. „Und was dann passiert, haben wir ja bei Thomson gesehen, als sie Telefunken und SEL gekauft haben. Die Arbeitsplätze wurden hierzulande abgebaut.“

Kleinert weiß sich in starker Gesellschaft. Karl-Heinz Boos, Geschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken, beschwört mit fast den gleichen Worten drohende Übernahmen aus dem Ausland. „Ich sehe auf gesetzgeberischer Ebene überhaupt keinen Handlungsbedarf. Es hat noch niemand überzeugend begründet, worin der schlechte Einfluß der Banken für die Unternehmen überhaupt besteht“, sagt er. Und unisono weisen der Politiker und der Lobbyist darauf hin, daß in den 100 größten Konzernen nur 99 Aufsichtsräte von Banken sitzen, während auf 211 Aufsichtsratssesseln externe Gewerkschafter Platz genommen hätten.

Applaus bekommt der FDP- Mann aus Rheinland-Pfalz dagegen von seiten der Sozis, die selbst vor fast zwei Jahren eine Gesetzesinitiative gestartet haben. „Der Vorschlag ist überraschend weitgehend“, urteilt Thomas Schmidt, wissenschaftlicher Mitarbeiter der SPD-Fraktion. Allerdings müßten auch die Subunternehmen der Banken unter das Gesetz fallen, damit die Kreditinstitute sich nicht einfach nur umstrukturierten. Und auch die Versicherungswirtschaft will Schmidt kontrolliert wissen; schließlich seien Banken und Assekuranz seit ein paar Jahren extrem verbandelt. Doch auf eine solche Idee wird sich Brüderle mit Sicherheit nicht einlassen. Denn sein Ghostwriter, Otto Graf Lambsdorff, hält als ehemaliger Versicherungsmanager seit 20 Jahren schützend die Hand über die Branche. Annette Jensen

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