: Erdrückende Beweise
1.500 Mark Geldbuße: Wie ein „Prädikatsjurist“seinen ersten Auftritt vor Gericht meistert ■ Von Elke Spanner
Die Beweislage ist erdrückend. In seinem Schreibtisch fand die Polizei die inkriminierten Zettel. Eines aber will Martin Sch. mal klarstellen: „Ich möchte so behandelt werden, als hätten Sie die Zettel nicht gefunden. Die Hausdurchsuchung war nämlich nicht o.k.“
Der Richter behandelt den 34jährigen dennoch so, wie man jemanden behandelt, der auf der Anklagebank sitzt. Denn der gelernte Jurist hatte Zettel mit der Aufschrift „Prädikatsjurist bietet Hilfe bei Examenshausarbeiten“in 14 Gesetzeskommentare der juristischen Unibibliothek geklebt. Und so muß sich Martin Sch. Fragen gefallen lassen: Wieso die Polizei denn in seiner Schreibtischschublade die Zettel finden konnte? „Offenbar wurden sie dort verwahrt.“Wieso sie dort verwahrt wurden? „Wohl weil sie jemand dort hingetan hat.“Aha. Und wer das wohl war? „Es spricht einiges dafür, daß ich das gewesen sein könnte.“
Auf den akkuraten Rollkragenträger, der sein Brot – offiziell – nicht mit der Juristerei, sondern als Tennistrainer verdient, war die Polizei über die Telefonnummer auf den Werbezetteln gestoßen. Die heiße Spur führte zu einer anrufbaren Telefonzelle, vor der Martin Sch. zufällig zu der angegebenen Telefonzeit vorbeigejoggt sein will. Eines Tages joggte er direkt in die Arme eines Polizisten, der ihn mit der Frage: „Sind Sie Prädikatsjurist?“entwaffnete.
Ob er den examensgepeinigten Studis wirklich eine Hilfe gewesen wäre, muß dahingestellt bleiben. Seine vor Gericht zum besten gegebenen juristischen Aussschweifungen lassen das nicht unbedingt vermuten. Selbst dem Richter wurde es schließlich zu bunt. Er ermuntert Martin Sch. freundlich, endlich aufzuhören, sich lächerlich zu machen. Das gelobt Sch. denn auch feierlich nach kurzer Rücksprache mit seinem Anwalt. Als der Richter ihm dann noch zugesteht, daß er ja kein Schwerstkrimineller sei, und „daß derartige Hilfsdienste von mehreren angeboten werden“, springt Martin Sch. fast enthusiastisch von der Anklagebank hoch und ruft erfreut: „Das finde ich gut, daß Sie das mal sagen!“
50 Tagessätze zu je 70 Mark soll der Angeklagte zahlen. „Entschuldigung“, mischt sich dessen Anwalt nun erstmals ein. „Ich mache sonst nur Zivilrecht und kenne mich nicht aus: Ist mein Mandant damit vorbestraft?“Nein, beruhigt der Richter, das sei er nicht. „Und gibt es im Strafprozeß auch so etwas wie einen Vergleich?“Gibt es, und so ist man sich einig, daß man einen solchen nun abschließen will. Es geht ans Gefeilsche und Verhandeln, heraus kommt eine Geldbuße von 1.500 Mark. „Damit bin ich nicht verurteilt, und eine vorsätzliche Tat kann mir keiner unterstellen“, jubiliert der Prädikatsjurist lautstark. Daß er die Tat aber soeben beim Aushandeln der Geldbuße eingestanden hatte, scheint ihm entgangen zu sein. Wie gesagt, ob er examensgepeinigten Studis wirklich hätte helfen können, mag hier dahingestellt bleiben.
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