: Eine „Eidechse ohne Schwanz“
Der Deutsche-Bank-Aufsichtsratsvorsitzende Hilmar Kopper sagte gestern im Prozeß gegen den Baulöwen Jürgen Schneider aus. Frühe Zweifel an der Seriosität ■ Aus Frankfurt Heide Platen
Claudia Schneider tätschelte ihren Ehemann Jürgen Schneider gestern in der Verhandlungspause. Daß gestern der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank, Hilmar Kopper, in den Zeugenstand vor dem Frankfurter Landgericht geladen war, habe sie nicht gewußt. Und wenn, dann wäre sie wegen der vielen Kameraleute gar nicht erst gekommen.
Von Peanuts will sie auch nichts mehr hören: „Die mag ich nicht mehr.“ Kopper hätte mit Erdnüssen nach der 1,5-Milliarden-Pleite des Baulöwen wohl gerne auch nichts mehr am Hut. „Peanuts“ hatte er 1994 öffentlich die 50 Millionen Mark unbezahlter Rechnungen genannt, die Schneider den düpierten Handwerkern mitsamt seinen diversen Bau-Pleiteprojekten zurückgelassen hatte, als er mit seiner Frau nach Florida geflohen war. Der nunmehrige Aufsichtsratsvorsitzende der Deutschen Bank nahm gestern nachmittag auf dem kargen Plastiksitz vor der Richterbank Platz. Er betonte, daß die Deutsche Bank schon 1990 beschlossen hatte, den Kreditrahmen von Schneider nicht mehr allzusehr anwachsen zu lassen, weil man bereits damals ein Sinken der Mietpreise erwartet habe und Schneider sich allzuheftig „im Osten“ engagierte.
Geld habe Schneider dann aber auch hinterher noch bekommen, weil die Deutsche Bank sonst „in der unangenehmen Lage“ gewesen wäre, daß die Schneider-Immobilien als Bauruinen dagestanden hätten. Warum denn niemand die marode Vermögenslage des Kreditnehmers Schneider überprüft habe, fragte der Vorsitzende Richter Gehrke. Kopper: „Das habe ich auch hinterher erst gelernt, daß das eine Eidechse ohne Schwanz war.“
Er selbst habe wenig über den Fall gewußt. Die Verantwortung für die Befürwortung der Kredite schob er den zwei federführenden Vorstandsvorsitzenden des Gesamtkonzerns zu. Alle anderen hätten sich auf deren Berichte verlassen. Kopper räumte ein, daß „die Überwachung unzureichend war und auch gravierende Fehler gemacht worden sind“.
Zuvor hatte es gestern im Gerichtssaal 165 wieder einmal den Anschein gehabt, als säßen dort nicht Jürgen Schneider und sein Adlatus Karl-Heinz Küpferle wegen Betrugs auf der Anklagebank, sondern mit ihnen auch die bundesdeutschen Großbanken. Richter Gehrke konnte bei der Vernehmung eines leitenden Bankangestellten seine Verwunderung nur schwer verhehlen. Seit 1991 waren in den internen Akten der Banken immer wieder Vermerke aufgetaucht, die die Seriosität des Mammutkunden Schneider in Zweifel gezogen hatten. Gebietsleiter Hanno Sauer von der Deutsche- Bank-Hypothekentochter Deutsche Creditboden (DCB) will davon nichts bemerkt haben.
Auch gestern ging es wiederum vor allem um die Ladengalerie „Les facettes“ auf der Frankfurter Zeil, für die dem Immobilienspekulanten immer wieder Kredite bewilligt worden waren, obwohl weder seine Angaben über die Quadratmeterzahl noch über die zu erwartenden Mieteinnahmen des Projektes der Wahrheit entsprachen. Sauer, der die Bedenken einiger Kollegen kannte, will sie als nicht alarmierend empfunden haben. Vorsitzender Gehrke: „Das stank doch zum Himmel!“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen