Der erste Smogalarm von Paris

Erfolgreiche Premiere: In Paris fuhren gestern ein Drittel weniger Autos. Freundliche Polizisten, charmante Gesetzesbrecher und ein Premierminister im E-Mobil sorgten für gute Stimmung. Und die Metro war umsonst  ■ Aus Paris Dorothea Hahn

„Alternatives Fahrverbot? Was Sie nicht sagen! Davon habe ich ja gar nichts gewußt“, redet sich die Dame am Steuer des Peugeot heraus, die eigentlich gar nicht unterwegs sein dürfte, weil sie ein Autokennzeichen mit gerader Endzahl hat. „Ich erwarte ein Baby“, sagt eine andere Gesetzesbrecherin. „Ich habe die ganze Nacht gearbeitet, jetzt bin ich zu müde für die Metro“, rechtfertigt sich schließlich ein Schlaumeier am Steuer.

Lächelnd hören sich die flics das Gestammel der Ertappten an. Seit 5 Uhr 30, als der Smogalarm in Kraft getreten ist, stehen sie an dieser nördlichen Einfahrt nach Paris, der Porte de la Chapelle, wo Autobahnen und Schnellstraßen aus der Banlieue enden und winken die Autos mit gerader Endzahl im Kennzeichen heraus.

Theoretisch können sie den Gesetzesbrechern Strafen in Höhe von 900 Francs (270 DM) aufbrummen und die Autos abschleppen lassen, was nochmals ein paar Hunderter kosten würde. Aber für diesen allerersten Smogalarm in der Pariser Geschichte hat der Polizeipräfekt ihnen strikte Freundlichkeit verordnet. Statt Knöllchen verteilen die flics deswegen ein kleines Merkblatt, in dem die Autofahrer gebeten werden aus „Rücksicht auf die Gesundheit der schwächsten Personen, auf die öffentlichen Verkehrsmittel auszuweichen“. Beim nächsten Mal müssen sie zahlen, sagen sie den Gesetzesbrechern dazu.

Aber ein nächstes Mal wird es vorerst nicht geben. Vor allem, weil gestern Vormittag der Himmel über Paris ein Einsehen hatte. Die thermische Inversion, die tagelang wie ein Deckel über der Stadt gelegen hatte, verschwand. Schon um 11 Uhr morgens meldete Airparis, das ständig die Luftqualität mißt, daß die Smogwerte unter Alarmstufe 1 gesunken seien. Das bedeutet, daß der Smogalarm, der bloß bei Stufe 3 ausgelöst wird, heute nicht mehr gelten muß.

Zur Luftverbesserung beigetragen hat aber auch die Disziplin der Autofahrer, so zumindest erklärten gestern Polizeipräfektur und Umweltministerium, die den Smogalarm ausgelöst hatten. Rund ein Drittel weniger Autos als üblich waren im Großraum Paris unterwegs, wo täglich 15 Millionen Strecken in Privatwagen zurückgelegt werden. Die Straßen der Innenstadt waren spürbar leerer und die Busse und Metros, die wegen des Smogalarms zum Nulltarif fuhren, entschieden voller. Die Pariser hatten das Fahrverbot aktzeptiert.

Premierminister Lionel Jospin wollte mit gutem Beispiel vorausgehen und fuhr am Morgen mit einem Elektroauto zu seinem Büro. „Gesetz ist Gesetz“, sagte er dazu in die Mikrofone. Außer den elektrischen waren auch Pkw mit drei Passagieren, sowie zahlreiche Leute mit Ausnahmeregelungen trotz Fahrverbot zugelassen.

Die grüne Umweltministerin Dominique Voynet, die mit dem Smogalarm erstmals ein Gesetz ihrer Vorgängerin benutzte, will künftig mehr: „Die wirklichen Lösungen wären eine Verbesserung der öffentlichen Verkehrsmittel und die Entwicklung sauberer Vehikel“, sagte sie. Auf den Straßen von Paris war die Meinung zum Smogalarm geteilt. „Fahrverbot? Das ist gut für die anderen, nicht für mich“, sagt ein Kommissar in Zivil, der gestern mit seiner Mobilette – Kennzeichen 1882 – in der rue du Louvre unterwegs war.