Späte Aktion

■ Die SFOR-Aktion gegen Karadžić-Sender bedeutet noch keine Pressefreiheit

Schon vor Monaten wurde eine Militäraktion zur Ausschaltung des Propagandasenders der nationalistischen Extremisten in Pale gefordert. Und das nicht nur von US- Politikern, die endlich einen Erfolg bei der Umsetzung des Dayton-Abkommens sehen wollen, sondern vor allem von der demokratischen Opposition in der bosnisch- serbischen Republika Srpska. Die hätte nämlich von einer freien Berichterstattung vor der Abhaltung der Kommunalwahlen noch profitieren können. Ohne Zugang zum Fernsehen und ohne Pressefreiheit standen die zivilen, demokratischen Kräfte aber auf verlorenem Posten.

Wenn jetzt Nato-Generalsekretär Solana und der Oberbefehlshaber der Nato in Europa, Clark, die Aktion loben und darauf hinweisen, daß ohne die Pressefreiheit weder die Demokratisierung des Landes noch die damit zusammenhängende Durchsetzung des Abkommens von Dayton möglich sind, dann muß man sich allerdings fragen, warum diese schon längst bis ins Detail geplante Aktion nicht früher durchgeführt wurde und damit den Wahlkampf der demokratischen Kräfte hätte stärken können.

Eine Antwort bleiben die Nato-Militärs schuldig. Und auch die Führung der OSZE. Denn auch ihre Arbeit, die Organisierung der Kommunalwahlen, die mit Millionensummen aus Steuergeldern finanziert und von einem riesigen Apparat über ein Jahr lang vorbereitet wurde, steht plötzlich in der Kritik. Man braucht doch nicht mehr als 17 Tage, um mit Hunderten von Helfern die Stimmen der „reibungslos abgelaufenen und fairen Wahlen“ auszuzählen. In jedem anderen halbwegs demokratischen Staat wäre dies jedenfalls ein Skandal.

Man kann nur hoffen, daß trotz aller Schwächen der OSZE und trotz des Zauderns der SFOR ein Schritt nach vorne gemacht worden ist. Die Kommunalwahlen werden wenigstens in einigen Gemeinden arbeitsfähige Gremien schaffen. Die Vertriebenen haben mit einer Wahlbeteiligung von über 80 Prozent ihre Ansprüche auf Rückkehr in ihre Heimatorte angemeldet. Vielleicht zu kräftig für den Geschmack der „internationalen Gemeinschaft“, die sich offenbar immer noch um Kompromisse bemüht. Dies steht jedoch fest: Der Wechsel der TV-Sender in die Hände von Biljana Plavšić verbürgt noch keine Pressefreiheit. Und Radovan Karadžić ist immer noch nicht in Den Haag. Erich Rathfelder