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„Absage an alle, die auf Gewalt setzen“

■ Ahmed Djeddai, der Generalsekretär der Front der Sozialistischen Kräfte (FFS), fordert nicht nur eine Algerien-Konferenz, sondern auch eine internationale Kommission zur Untersuchung der Massaker

taz: Wird der von der Armee des Islamischen Heils (AIS) ausgerufene Waffenstillstand etwas bewirken? Gehen die Massaker weiter?

Ahmed Djeddai: Jede auch noch so kleine Verminderung der Gewalt ist begrüßenswert, da dies Druck von der Bevölkerung nimmt. Aber natürlich ist die Annäherung zwischen Armee und AIS nur ein erster Schritt. Was Algerien braucht, ist ein globaler Friedensprozeß, an dem alle politischen und gesellschaftlichen Kräfte teilnehmen. Leider ist aber auch zu erwarten, daß nach dem Aufruf zum Gewaltverzicht, wie ihn die AIS gemacht hat, die Ultras bei den Islamisten, aber auch die im Machtapparat, erst recht zuschlagen. Wir müssen eine Dynamik innerhalb der Bevölkerung schaffen, damit dieser Friedensprozeß von unten Unterstützung erfährt.

Ist ein demokratischer Friedensprozeß tatsächlich möglich, oder ist die Annäherung zwischen AIS und Armee nicht nur ein Schritt hin zu einer Machtteilung, wie sie im Sudan auch stattgefunden hat?

Eine Entwicklung wie im Sudan ist in Algerien aus einem einfachen Grund nicht möglich. Ein wichtiger Teil der Bevölkerung will weder von den Islamisten noch von der Armee etwas wissen. Genau das ist unsere Chance. Dieser Teil der Bevölkerung möchte eine stabile Situation und erteilt allen, die auf Gewalt setzen, eine klare Absage. Auf diese Menschen setzen wir, wenn wir von einer gesellschaftlichen Dynamik hin zum Frieden reden.

Kann die internationale Gemeinschaft einen solchen Prozeß unterstützen?

Nur wenn genügend Druck von außen kommt, wird das algerische Regime einem offenen Dialog mit allen politischen und gesellschaftlichen Kräften zustimmen. Die internationale Öffentlichkeit darf nicht müde werden, die Menschenrechtsverletzungemn zu benennen, ob sie von den Herrschenden oder von bewaffneten Gruppen, egal welcher Couleur, verübt werden. Die Einrichtung einer internationalen Kommission, die die Massaker untersucht, wäre ebenfalls sehr hilfreich. Außerdem muß die internationale Gemeinschaft die Initiative für eine internationale Friedenskonferenz in Algerien ergreifen. Natürlich wehrt sich Präsident Zéroual immer wieder gegen eine solche, wie er es nennt, „Einmischung in innere Angelegenheiten“, doch darf man da nicht lockerlassen. Es geht um die Menschen in Algerien.

Von wem könnte eine solche Initiative ausgehen?

Als Frankreich 1995 die EU- Präsidentschaft innehatte, schlug der damalige französische Präsident Mitterrand mit Unterstützung des deutschen Bundeskanzlers Kohl eine europäische Algerien-Konferenz vor. Allein, daß diese zwei Politiker damals vage Pläne schmiedeten, löste hier im Land große Hoffnung aus. Warum nicht eine französisch-deutsche Initiative in Absprache mit der EU?

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