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■ KommentarKampf um Sendezeit

Wenn es kracht in Berlin, sind die Ursachenforscher schnell bei der Hand. Dann ist abwechselnd von mangelnden Perspektiven, sinnloser Gewalt oder liebgewonnenen Ritualen die Rede. Nach den Bränden rund um den Teutoburger Platz am Abend der deutschen Einheit herrscht dagegen allenthalben Ratlosigkeit. Selbst die Polizei wollte sich nicht abschließend festlegen, ob es den Kaufhallen-Brandstiftern ums Tacheles ging oder um den 3. Oktober.

Selbst wenn der Polizeipräsident wüßte, daß in der linskradikalen Szene der Stadt keiner auch nur einen Finger für das Tacheles krumm machen würde, bleibt doch die berechtigte Frage, um was es tatsächlich ging, falls der Tag der deutschen Einheit die 50 Vermummten mobilisiert hätte. Darauf hinzuweisen, daß die „Einheit“ eine Fiktion ist? Um die zunehmende soziale Polarisierung? Den Wandel des Prenzlauer Bergs zum Tummelplatz für standesbewußte Müßiggänger?

Wahrscheinlicher ist da eher, daß der Kampf um die beste Sendezeit bei der Tagesschau Anlaß für die militante Blitzaktion war. Wenn Image-Macher wie Volker Hassemer ungestraft Hochglanzrealitäten schaffen dürfen, soll anderweitig wohl der Mythos von der Hauptstadt Kreuzberg, respektive Prenzlauer Berg aufrechterhalten werden. Mit der Berliner Realität haben freilich weder die Hassemer-Images noch deren militante Gegenbilder zu tun. Mit politischer Hilflosigkeit dagegen um so mehr. Uwe Rada

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