Sonderstatus für Maurice Papon?

Prozeßauftakt in Frankreich: Die Verteidigung beantragt Haftverschonung für den 87jährigen, der wegen Judendeportationen in die KZs vor Gericht steht  ■ Aus Bordeaux Dorothea Hahn

Verfahrensfragen: 16 Jahre lang hatten sie das Zustandekommen eines Prozesses wegen „Verbrechen gegen Menschlichkeit“ gegen Maurice Papon verhindert. Gestern, als der 87jährige in Bordeaux tatsächlich vor seine Richter trat, waren es wieder Verfahrensfragen, die den Beginn der Arbeit des Schwurgerichts verhinderten. Statt in medias res zu gehen, mußte es über den Antrag des Verteidigers auf Haftverschonung beraten.

In einer fast einstündigen Rede begründete Verteidiger Jean-Marc Varaut, der gelegentlich in rechtsextremen Blätter veröffentlicht, seinen Antrag. Dabei erwähnte er über ein dutzendmal das Alter des Angeklagten, behauptete, es gebe nicht die geringste Fluchtgefahr, und drohte, daß Papon nur sprechen werde, wenn er während des Prozesses ein freier Mann bleibe.

Staatsanwalt und Verteidigung lehnten eine „Ausnahmejustiz“ für Papon ab. Sie wollen über den einstigen Generalsekretär der Präfektur der Gironde, dem vorgeworfen wird, zwischen 1942 und 1944 die Deportation von 1.560 Bordelaiser Juden in die Vernichtungslager organisiert zu haben, urteilen, wie es das französische Gesetz für alle Angeklagten vor Schwurgerichten vorschreibt. Außerdem erinnerten sie daran, daß sich Papon, der im August wegen Fluchtgefahr unter Justizaufsicht gestellt worden war, wochenlang der Kontrolle entzogen hatte. Das Gericht will heute über den Antrag auf Haftentlassung entscheiden.

Nachdem er ein vorerst letztes Pressekommuniqué über die „eines Rechtsstaates unwürdige Maskerade und über seine Vorverurteilung“ verteilt hatte, war der Angeklagte am Dienstag abend mit einem Pfeifkonzert von seinen Mithäftlingen im Gefängnis Gradignan empfangen worden. Gestern trat der große hagere Mann im schwarzen Anzug in seine kugelsichere Glasbox vor dem Schwurgericht. Nach einer angedeuteten Verbeugung nannte er seinen Namen und den Beruf „Rentner“. Anschließend verschränkte er die Arme vor der Brust und zog gelegentlich verächtlich die Mundwinkel herunter. Bevor sich die Richter zur Beratung über den Antrag seines Verteidigers zurückzogen, stand Papon noch einmal auf und erinnerte, er habe „lebenslänglich dem Staat gedient“.