: „Es fehlt einfach an Produktivität“
■ Kubas Vizefinanzminister Rubén Toledo Diaz über Korruption, Diebstahl und das schwierige Mißverhältnis zwischen Produktion und Nachfrage
taz: In Kuba steigt die Korruption, in den staatlichen Betrieben mehren sich die Diebstähle, die Arbeitsmoral ist schlecht. Liegt der Grund dafür nicht just darin, daß mit den niedrigen Pesolöhnen bei zwei Währungen und drei unterschiedlichen Preissystemen nicht viel anzufangen ist?
Toledo Diaz: Dies ist zweifellos ein großes Problem, aber die Legalisierung des Dollars in Kuba war die einzige Möglichkeit, um den Zusammenbruch unseres Landes zu vermeiden. Wir brauchten dringend die Dollars, die in der Bevölkerung zirkulierten, um Erdöl und Nahrungsmittel zu importieren und die Grundversorgung zu garantieren. Diese Maßnahme hat nichts mit Sozialismus zu tun, es war uns auch damals klar, daß wir damit die Bevölkerung in einen Teil mit und einen ohne Dollar spalten würden, daß sie der Arbeitsmoral nicht guttun würde – aber es war der letzte Strohhalm.
Und bekommen Sie die Konsequenzen in den Griff?
Wir versuchen natürlich, durch Kontrollen etwa der Korruption entgegenzusteuern, versuchen die Arbeitsdisziplin zu verbessern, die Identifikation mit dem Betrieb herzustellen. Natürlich ist klar, daß viele Produkte, die auf dem Schwarzmarkt angeboten werden, von Angestellten aus staatlichen Betrieben geklaut werden. Durch die Verbesserung der betrieblichen Organisation, durch zusätzliche Anreize und Kontrollen versuchen wir, die Ausstattung der Betriebe zu schützen. Außerdem konnte die betriebsinterne Versorgung verbessert werden, immer mehr Arbeiter erhalten Zugang zu speziellen Geschäften, in denen sie rare Produkte für kubanische Pesos einkaufen können.
Aber ist es nicht sinnvoller, eine Währungsreform durchzuführen, statt weiter Stückwerk zu betreiben? Den Vorschlag haben kubanischen Sozialwissenschaftler immerhin schon 1994 gemacht.
Das wurde damals auch in den Arbeiterparlamenten diskutiert, die von der Regierung initiiert wurden, um die Meinung der Bevölkerung zur Reform des Währungs- und Finanzsystems einzuholen. Dort ging es zuerst einmal um die Reduzierung des Geldumlaufs, der zum damaligen Zeitpunkt bei rund 12 Milliarden Peso lag. Zudem würde ein Währungsumtausch nur punktuelle Erleichterung bringen – die ursächlichen Probleme, wie das Mißverhältnis zwischen Produktion und Nachfrage, bestehen ja weiter. Jemand, der beispielsweise Kuchen auf der Straße verkauft, verdient im Monat nach wie vor wesentlich mehr als ein Arbeiter in einer staatlichen Fabrik – es fehlt einfach an der nötigen Produktivität.
Aber was ist die Alternative, um den Peso zu stärken?
An erster Stelle müssen wir das Angebot an Produkten und Dienstleistungen verbessern. In einigen Bereichen machen wir ja bereits Fortschritte: Das Angebot auf den Bauernmärkten ist wesentlich größer als noch vor einem Jahr, die Preise geben langsam nach, auch im gastronomischen Bereich hat es einen Angebotsaufschwung gegeben, sowohl von staatlicher als auch von privater Seite, und die neuen Geschäfte für die Arbeiter, wo sie Dollarprodukte für Peso erwerben können, stärken ebenfalls die nationale Währung und reduzieren die Differenz zwischen den Löhnen und den Preisen.
Und Sie meinen, daß das reicht?
Der Schlüssel liegt in der Steigerung der Produktion. Und dazu gehört auch, das Land attraktiver für internationale Investitionen zu machen. Also haben wir uns bemüht, mit der Novellierung des Investitionsgesetzes und der Einrichtung von Freihandelszonen unsere Attraktivität für ausländische Investoren zu steigern, was allerdings von den USA durch das Helms- Burton-Gesetz behindert wird. Wir bemühen uns, den Tourismus weiter auszubauen, weitere Arbeitsplätze in diesem Bereich zu schaffen, ihn mit der nationalen Wirtschaft stärker zu verbinden. Gerade in diesem Bereich sind die Potentiale bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Interview: Knut Henkel
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen