: Toter Organspender beschäftigt jetzt die Sozialgerichte
■ Mann spendete seiner Schwester Niere und starb später selbst an Nierenkrebs / Krankenkasse übernahm Dialysekosten nicht
Ein gesunder Mann spendet seiner kranken Schwester eine Niere und stirbt selbst an den Folgen von Nierenkrebs. Johannes Ideus von der Nordseeinsel Wangerooge – ein Lebensretter, für den es selbst keine Hilfe mehr gab – beschäftigt nach seinem Tod die Justiz. Seine Witwe ist soeben vor dem Landessozialgericht Niedersachsen mit dem Versuch gescheitert, die gesetzliche Unfallversicherung für tausende von Mark an Dialysekosten haftbar zu machen.
Der Fall macht deutlich, daß es im Bereich der Organspende einen grundsätzlichen Klärungsbedarf gibt, sagt die Frankfurter Anwältin Iris Rücker, die für Ideus kämpft. Sie ist sich einig mit dem jüngst verstorbenen hannoverschen Transplantationsmediziner Rudolf Pichlmayr: „Ein solches Beispiel kann potentielle Organspender nur abschrecken.“Es gelte jetzt, die unterschiedlichen Rechsstandpunkte zum Anlaß zu nehmen, das Transplantationsgesetz nachzubessern. „Die gerichtlichen Möglichkeiten haben wir ausgeschöpft“, sagt Anwältin Rücker.
Ohne zu zögern hatte der Bahnbeamte 1981 seiner nierenkranken Schwester Irmgard Hanka seine rechte Niere gespendet. „Und ich hätte es auch getan, wenn ich damals gewußt hätte, daß ich elf Jahre später Krebs an meiner zweiten Niere bekommen würde“, versicherte Ideus später. Gestorben ist der immer freundliche, besonnen wirkende Friesländer am 24. März 1997 – am 15. Geburtstag seiner Tocher – an dem Krebs. Bis dahin hatte er seit der Entnahme seiner krebskranken Niere im März 1992 täglich bis zu zwölf Stunden in seiner Wohnung am Dialyse-Gerät gehangen.
Doch nur rund 80 Prozent der Dialysekosten bekam er von seiner Kasse erstattet. Über 70.000 Mark von seinen Ersparnissen, die einmal in ein Haus gesteckt werden sollten, waren verbraucht. Seine Hoffnung, mit einer Klage vor dem Landessozialgericht in Celle die Krankenkasse seiner Schwester, die AOK in Wittmund, zur Zahlung der Differenz zu verpflichten, zerschlug sich im April 1996. Die Dialysekosten, so das Gericht, stünden in keinem Zusammenhang mit der Organspende und seien nicht von der Kasse der Organempfängerin zu übernehmen.
Seine Schwester Irmgard, immer noch gesund dank der Nierenspende, sagt: „Was er für mich war und getan hat, das kann kein Mensch ermessen.“Seine 47jährige Frau Uschi mußte nicht nur hinnehmen, daß er seine Beerdigung auf dem Inselfriedhof selbst bis ins Detail plante „und gleichzeitig das Leben nicht loslassen konnte“, sondern ihm auch versprechen, „daß ich vor Gericht weiterkämpfen werde.“
Das Landessozialgericht, diesmal der 6. Senat, gestand ihr jetzt keine Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu, weil die Organspende nicht im rechtlichen Sinne als „Unfall“zu sehen sei. Versichert seien nur Schäden infolge von Komplikationen bei der Organspende, und die sei komplikationslos verlaufen. „Eine andere Sichtweise hätte die unangemessene und vom Gesetzgeber nicht beabsichtigte Folge, daß allein durch die Nierenspende immer ein Anspruch auf Verletztenrente bestünde“, stellen die Richter fest. Hannes Ideus hätte sich angesichts des erhöhten Risikos nach der Spende besser absichern müssen.
„Die Leistungserweiterung über den gegenwärtigen Stand hinaus fällt in den Zuständigkeitsbereich des Gesetzgebers“, gab das Gericht der Witwe mit auf den Weg. „Es wäre wünschenswert, wenn Bundessozialministerium und Bundesgesundheitsministerium endlich zu einer einheitlichen Meinung kämen und im Interesse der Organspender Nägel mit Köpfen machten, damit das Gesetz auch für einen Fall Ideus Schutz bietet“, sagt Anwältin Rücker. Sie hat die Ministerien vom Ausgang des Verfahrens informiert und wartet auf Antwort. dpa
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