: Der Alltag hat Kohl wieder
■ Koalitionstreffen im Kanzleramt. CSU will bei Kohl-Nachfolge mitreden: "keine Erbmonarchie". Schröder nennt Kohl "lahme Ente"
Bonn (AP/AFP) – Die CSU will nach den Worten von Bundesfinanzminister Theo Waigel ihr Mitspracherecht bei einer möglichen Neubesetzung des Kanzlerpostens „zum richtigen Zeitpunkt“ geltend machen und durchsetzen. Das erklärte Waigel am Freitag in Bonn nach einem Spitzengespräch von Union und Liberalen im Kanzleramt.
Unterdessen äußerte sich Bayerns Finanzminister Erwin Huber kritisch zu Bundeskanzler Helmut Kohls Ankündigung, er sehe als seinen Nachfolger Wolfgang Schäuble. „Wir haben keine Erbmonarchie, wo solche Dinge im Alleingang entschieden werden“, sagte der CSU-Politiker im ARD- „Morgenmagazin“. Über den gemeinsamen Kanzlerkandidaten von CDU und CSU werde „rechtzeitig in den Gremien“ entschieden. Huber setzte sich auch für die derzeitige Koalition ein. Auch der SPD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Rudolf Scharping, erteilte einer Großen Koalition in Bonn nach der nächsten Bundestagswahl eine Absage.
Wie aus Koalitionskreisen verlautete, sind bei dem Spitzengespräch im Kanzleramt weitere Gesetzgebungsverfahren noch in dieser Legislaturperiode vereinbart worden. So solle eine Reform des Aktienrechts in die Wege geleitet werden. Auch stünden Novellierungen beim Energiewirtschaftsrecht an. Thematisiert worden sei auch die Diskussion um die 610- Mark-Jobs (im Osten 520 Mark). Die FDP habe erneut ihre Forderung bekräftigt, geringfügige Beschäftigungsverhältnisse müßten auch künftig sozialversicherungsfrei bleiben. Weder über eine Kabinettsumbildung noch über eine mögliche Kanzlernachfolge sei bei der Unterredung im Kanzleramt gesprochen worden.
Scharping schloß im Deutschlandfunk eine Große Koalition nach der nächsten Bundestagswahl aus. Niemand in der SPD wolle ein solches Bündnis und es werde dazu auch nicht kommen. Ziel der Sozialdemokraten sei, stärkste Partei zu werden. Zur Diskussion um die Nachfolge des Bundeskanzlers sagte Scharping, Kohl solle jetzt zurücktreten und den Weg freimachen. Er könne sich nicht vorstellen, daß die Deutschen einen Kanzler auf Abruf wählten.
Der niedersächsische Ministerpräsidenten Gerhard Schröder (SPD) meinte im Inforadio Berlin- Brandenburg, Kohl sei mit dem Votum für Unionsfraktionschef Wolfgang Schäuble zu dem geworden, was in den USA als eine „lame duck“, also „lahme Ente“, bezeichnet werde. Dieser Ausdruck ist etwa für US-Präsidenten gebräuchlich, die noch im Amt sind, aber bereits abgewählt wurden.
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