: Kohl: Rücktritt bei Großer Koalition
■ Bundeskanzler Helmut Kohl versucht, die von ihm losgetretenen Spekulationen um seine politische Zukunft zu zerstreuen. Klare Absage an Koalition mit der SPD nach der Wahl 1998
Bonn (rtr/dpa) – Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) hat eine Große Koalition mit der SPD nach der Bundestagswahl 1998 ausgeschlossen. Er stehe dafür nicht zur Verfügung, sagte er gestern in einem Interview der ZDF-Sendung Bonn Direkt: „Ich mache keine Große Koalition.“ Er sehe das Wahlergebnis „auch nicht so voraus“. Zugleich bekräftigte er seinen Führungsanspruch und versuchte, Spekulationen um eine bevorstehende Kabinettsumbildung zu beenden. „Die Lage ist völlig klar, wir haben einen Kanzlerkandidaten, der Kanzler ist und es bleiben will und um jede Stimme kämpft.“ Nach seiner Festlegung auf CDU/CSU-Fraktionschef Wolfgang Schäuble als Nachfolger im Kanzleramt hatten Unionsfraktionsvize Heiner Geißler und andere führende CDU-Politiker von Kohl einen Abgang nach der Wahl 1998 verlangt.
Beim Ausscheiden von Bundespostminister Wolfgang Bötsch (CSU) zum Jahresende werde die CSU wie verabredet dafür einen Ausgleich bekommen, sagte Kohl. „Es liegt doch in der Statik einer Koalition – auch im Verhältnis CDU/CSU –, daß dafür ein Ausgleich für die CSU geschaffen wird und geschaffen werden muß, und da finden wir auch eine Lösung.“ Dies werde rechtzeitig vor dem CSU-Parteitag am 21. November in München geschehen. Die Frage nach einem vorzeitigen Wechsel an der Unionsfraktionsspitze erübrige sich. Überlegungen über einen Nachfolger von Schäuble gebe es nicht, sagte Kohl. Als „ganz naheliegend“ bezeichnete er Spekulationen, daß die CSU das Bauministerium nach einem eventuellen Wechsel von Bauminister Klaus Töpfer (CDU) zur UNO-Umweltorganisation erhält.
Geißler hatte sich für eine Wachablösung im Kanzleramt für den Fall eines Wahlsieges der Union bei der Bundestagswahl 1998 bereits vor dem Jahr 2002 ausgesprochen. „Ein angekündigter Wechsel macht nur Sinn, wenn er auch bald vollzogen wird.“ Die Union solle deshalb spätestens bis zum nächsten Parteitag im Mai „demokratisch das legitimieren, was Kohl gesagt hat“.
CSU-Landesgruppenchef Michael Glos bezeichnete Schäuble in einem Fernsehinterview als durchaus geeigneten Kanzlernachfolger. Die Frage werde aber erst im Jahr 2002 oder in Vorbereitung des Jahres 2002 entschieden. Glos meldete erneut den Anspruch der CSU an, nach Ende der Kanzlerschaft Kohls einen eigenen Kanzlerkandidaten zu stellen. FDP- Chef Wolfgang Gerhardt begrüßte die Bereitschaft Kohls, ein weiteres Mal mit voller Kraft für die gesamte Amtszeit zu kandidieren. Die FDP sehe in Kohl „einen Garanten der Koalition“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen