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Auf der Straße nur noch zum Schnorren

In der Schönhauser Allee wurde gestern die bislang einzige Kontakt- und Beratungsstelle mit angegliederter Notunterkunft für obdachlose Jugendliche vorgestellt. Bezirk Prenzlauer Berg finanziert die einzigartige Einrichtung mit vier SozialarbeiterInnen  ■ Von Matthias Stausberg

Seit Tiger vor etwa drei Monaten von seinem Vater in Halle vor die Tür gesetzt wurde, hat der siebzehnjährige Punk in Berlin auf der Straße gelebt. Am Alexanderplatz hat er „abgehangen“, bis ihm die Szene dort auf die Nerven ging, weil sich „die Leute den Verstand wegsaufen“. Meist hat er „open air“ gepennt, sich die Nächte im Freien um die Ohren geschlagen und tagsüber geschnorrt, um sich über Wasser zu halten. „Ich hab' gelernt, anders zu leben, hab' gelernt zu überleben, aber ich möchte es auch ein bißchen einfacher haben“, sagt Tiger.

Das tägliche Schnorren ist geblieben, aber zumindest vorübergehend hat der „unpolitische Oi- Punk“, wie er sich beschreibt, eine Bleibe gefunden, die es ihm ermöglicht, etwas gelassener in die Zukunft zu blicken und langfristige Pläne zu schmieden. Seit dem 1. August betreibt die Pfefferwerk GmbH in der Schönhauser Allee 39b eine Kontakt- und Beratungsstelle mit Notunterkunft für obdachlose Jugendliche. In den großen, freundlich gestalteten Räumen finden bis zu acht Jugendliche nicht nur Betreuung durch Sozialarbeiter, sondern vor allem einen warmen Schlafplatz für die Nacht. Wenn nötig, kann sogar bis zu zehn Nächten verlängert werden. „Es mußte etwas getan werden“, berichtet Leiter Christoph Haaß über die Motivation, diese in ihrer Kombination von Beratungs- und Zufluchtsstätte einmalige Einrichtung zu schaffen.

Bis zu 3.000 Jugendliche im Alter von 14 bis 18 Jahren leben Schätzungen zufolge auf den Berliner Straßen, immer mehr von ihnen auch in Prenzlauer Berg. Bereits im Januar 1995 hatte die dortige Bezirksverordnetenversammlung das Bezirksamt verpflichtet, eine Einrichtung für die von Obdachlosigkeit bedrohten Jugendlichen zu schaffen. Der Bezirk unterstützt das zunächst bis Ende 1998 befristete Projekt in diesem Jahr mit etwa 270.000 Mark. Für 1998 sind 586.000 Mark veranschlagt. „Der Bezirk hat sich ausdrücklich dazu bekannt, dieses Projekt zu unterstützen“, sagt Nilson Kirchner, Vorsitzender des Kinder- und Jugendhilfeausschusses in der BVV Prenzlauer Berg.

In der Schönhauser Allee sorgen vier festangestellte SozialarbeiterInnen sowie mehrere HonorarmitarbeiterInnen für die ständige Beratung und Betreuung schutz- und hilfebedürftiger Jugendlicher. Ein Krisentelefon ist ständig besetzt und hilft bei Konflikten. Grundsätzlich ist die Einrichtung an allen Tagen der Woche rund um die Uhr geöffnet.

Trotz Beratung und Betreuung legen die Betreiber aber auch Wert darauf, die Jugendlichen nicht unter Druck zu setzen. Im gleichen Maß soll ihnen auch Freiraum gegeben werden, damit sie ein wenig Ruhe finden und über ihre gegenwärtige Situation nachdenken können. Deshalb werden auch die zehn Tage Bleibefrist flexibel gehandhabt. Wer den Willen hat und es schafft, in dieser Zeit erste Schritte in Richtung auf festen Wohnsitz und Arbeits- oder Ausbildungsplatz zu tätigen, der kann auch länger bleiben.

Beratung findet jeweils montags bis freitags von 10 bis 18 Uhr statt. Nachtaufnahme bis 24 Uhr.

Telefon 4420060

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