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Rechtsradikale erschlagen Rentner

Mord im Bochumer Obdachlosenmilieu aufgeklärt: Einer der beiden mutmaßlichen Täter ist flüchtig, der andere geständig. Zweifel an Ermittlungen  ■ Aus Bochum Walter Jakobs

Der Mord an dem 59jährigen Rentner Josef Anton Gera aus Bochum geht auf das Konto rechtsradikaler Schläger. Der am Montag von der Polizei festgenommene Skinhead Patrik K. (26) hat gestanden, zusammen mit seinem flüchtigen Kumpel Uwe K. (35) über den wehrlosen Mann hergefallen zu sein. Mit Tritten und einem Eisen- rohr hatten die beiden den Renter in der Nacht zum 14. Oktober auf dem Gelände einer Krupp-Industriebrache in Bochum so übel zugerichtet, daß er zwei Tage später seinen Verletzungen im Krankenhaus erlag.

Gegenüber der Polizei stellte Patrik K. die Tat als Reaktion auf „sexuelle Annäherungsversuche“ des Opfers dar. Zunächst habe er allein den Rentner niedergeschlagen. Später sei auch sein ebenfalls sexuell bedrängter Kumpel über das Opfer hergefallen. Eine Schilderung, die der ermittelnde Staatsanwalt Dieter Justinsky „für absolut nicht nachvollziehbar hält“. Gegen beide wird deshalb auch wegen Mordes ermittelt.

Die beiden Schläger lebten seit längerem in einer Bude auf der riesigen Industriebrache. Das Gelände diente rechtsradikalen Skins ebenso als Treffpunkt wie Obdachlosen und Drogenabhängigen, die die leeren Hallen als Schlafstätte nutzten. Vor dem Mord hatte der 59jährige nach den Ermittlungen der Polizei noch mit den späteren Tätern getrunken.

Nach den bisherigen Erkenntnissen gehörten beide Verdächtige keiner rechtsradikalen Organisation an. An ihrer Gesinnung besteht jedoch kein Zweifel. Noch im Vorfeld der Tat, das hat der Festgenommene eingeräumt, hatten sie sich mit lauten „Sieg Heil“-Rufen bemerkbar gemacht. In ihrer Bude finden sich Hakenkreuz- schmierereien.

Beide galten der Polizei zunächst nur als Zeugen. Verdacht schöpften die Ermittler erst, als sich das vermeintliche Alibi Anfang der Woche als falsch erwies. Während Patrik K. am Dienstag auf dem Bochumer Bahnhofsvorplatz festgenommen werden konnte, blieb die Suche nach Uwe K. bisher erfolglos.

Das Verhalten der Polizei wird ein parlamentarisches Nachspiel haben. Die Bochumer Grünen bezweifeln, daß die Polizei von Anfang an alle erforderlichen Schritte zur Aufklärung des Verbrechens eingeleitet hat. Anwohner der Industriebrache hatten die Hilfeschreie des Rentners gehört und die Polizei alarmiert. Noch vor seiner Einlieferung ins Krankenhaus erklärte der Schwerverletzte den Polizisten, er sei von Skinheads überfallen worden. Außer der Einlieferung ist Krankenhaus geschah seitens der Polizei zunächst jedoch nichts. Man buchte das Verbrechen offenbar als Körperverletzung ab. Diesen Eindruck hat inzwischen selbst der Bochumer Polizeipräsident Thomas Wenner. Bis zur Vorlage des Obduktionsberichts am vergangenen Freitag, gab es, so Wenner, „nach dem ersten Anschein keine Ermittlungen“.

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