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Sierra Leones Putschisten geben auf

Durchbruch bei Friedensverhandlungen: Die Militärjunta gibt in sechs Monaten die Macht an die gestürzte Zivilregierung zurück und bleibt dafür straffrei. Bevölkerung und Soldaten in der Hauptstadt Freetown feiern  ■ Von Dominic Johnson

Berlin (taz) – Fast auf den Tag genau fünf Monate nach ihrem Militärputsch hat die herrschende Junta im westafrikanischen Sierra Leone eingewilligt, die Macht an Zivilisten zurückzugeben. Zum Abschluß von Verhandlungen mit der westafrikanischen Regionalorganisation Ecowas im Nachbarland Guinea stimmten die Vertreter der Junta am Donnerstag abend einem Friedensplan zu, der die Wiedereinsetzung des gestürzten Präsidenten Ahmed Tejan Kabbah bis spätestens 22. April 1998 vorsieht. Die Putschisten gehen im Gegenzug straffrei aus. Kabbah, gewählter Präsident von Sierra Leone, war am 25. Mai von aufständischen Soldaten unter Führung Johnny Koromas gestürzt worden, der seither regiert.

Nach Bekanntgabe des Friedensplans kam es in Sierra Leones Hauptstadt Freetown zu spontanen Freudenkundgebungen. Viele Soldaten beteiligten sich mit Jubelschüssen in die Luft, die mindestens drei Schwerverletzte forderten. Juntachef Koroma rief daraufhin die Armee zur Ordnung und kündigte dreitägige Gebete sowie für Sonntag eine Großdemonstration für den Frieden an.

Noch im Sommer hatte Koromas Junta erklärt, bis zum Jahr 2001 an der Macht bleiben zu wollen, und vor Beginn der jüngsten Gespräche hatte Juntasprecher Allieu Kamara gesagt: „Diese Regierung bleibt.“ Aber nun sind die Putschisten offenbar doch durch den internationalen Druck weichgekocht worden. Die von Nigeria geführte Regionalorganisation Ecowas, der Sierra Leone angehört, hatte nach dem Putsch immer wieder die Wiedereinsetzung der gestürzten Zivilregierung gefordert und machte zuletzt auch ihre Drohung zunehmend wahr, dies mit Waffen durchzusetzen.

Eine Ecowas-Eingreiftruppe, die hauptsächlich aus Soldaten aus Nigeria besteht, ist in Sierra Leone stationiert und kontrolliert den internationalen Flughafen von Freetown. In den letzten Wochen hat Nigerias Luftwaffe mehrmals Luftangriffe auf Freetown geflogen, um eine Handelsblockade durchzusetzen. Dutzende von Menschen sind dabei gestorben, über 10.000 sind aus der Stadt geflohen. Erst am Montag abend kamen 31 Menschen ums Leben, als zwei nigerianische Jets das Dorf Bandama nahe der Stadt Kenema bombardierten. 20 weitere fielen einem erneuten Luftangriff auf Kenema selbst am Dienstag zum Opfer.

Nigerias Angriffe verärgerten die Bevölkerung zuletzt mehr als die Rechtlosigkeit und Unsicherheit unter der Militärjunta. „Keine Alpha-Jets mehr!“ war auf Transparenten bei den Freudenkundgebungen in Freetown nach dem Friedensschluß zu lesen. Selbst die Regierung Großbritanniens, die auf diplomatischer Ebene mit am meisten Aktivitäten gegen die Putschregierung entfaltet hat, kritisierte diese Woche das nigerianische Vorgehen, ebenso Sierra Leones Nachbarstaat Liberia. Nach dem Bekanntwerden des Friedensabkommens kam es beim nigerianischen Militärstützpunkt Jui nahe Freetown allerdings zu Verbrüderungsszenen zwischen nigerianischen und sierraleonischen Soldaten.

Ein anderer Grund für das Einlenken Koromas ist innenpolitischer Natur. Koromas Junta ist eine Koalition zwischen unzufriedenen Teilen des Militärs und der ehemaligen Guerillabewegung Revolutionäre Vereinigte Front (RUF), die bis 1996 gegen das Militär gekämpft hatte. Vor einigen Wochen soll es aber zum Bruch innerhalb der Junta gekommen sein, wobei die Vertreter der Armee die Rückgabe der Macht befürworteten und die RUF dagegen war. Das neue Friedensabkommen versucht dieses Problem zu lösen, indem es dem seit April in Nigeria unter Hausarrest sitzenden RUF-Führer Foday Sankoh die Rückkehr nach Sierra Leone und eine „aktive Rolle im Friedensprozeß“ zusichert. Der Friedensplan sieht außerdem die Beibehaltung der UN- Sanktionen gegen Sierra Leone und die Entwaffnung aller kämpfenden Gruppen bis zu Kabbahs Rückkehr an die Macht vor.

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