Politik zwischen Kommerz und Öffentlichkeit

■ Warum die Bilder der Fußballweltmeisterschaften 2002 und 2006 allen zugänglich sein sollten und der Streit darüber keine Posse ist. Das Nationalteam spielt nicht nur für die Premiere-Abonnenten

Berlin (taz) – Die Ministerpräsidenten haben ein entschiedenes Jein beschlossen: Die Drohung mit einem Staatsvertrag, der den Medienmogul Leo Kirch zwingen sollte, bestimmte Sportsendungen uncodiert zu zeigen, ist erst mal vertagt worden. Aber man hat Entschlossenheit gezeigt: Man wird viel dafür tun, daß jedermann auch bei den Weltmeisterschaften 2002 und 2006 zumindest alle Spiele der deutschen Mannschaft im Free-TV sehen kann.

Wenn Kirchs Plan durchkäme, wäre das, sagen manche, gar nicht so schlimm. Denn weil nicht jeder Fußballfan ein Pay-TV-Abonnement kaufen würde, käme es zu einer Renaissance der Fernsehstube. So würden die Leute gemeinsam in der Kneipe Fußball schauen, anstatt einsam zu Hause zu sitzen. Zudem: Daß die Ministerpräsidenten der Länder nun, viel zu spät, Volkes Stimme folgen, ist natürlich blanker Populismus. Auch mag man sich über den bleiernen Ernst mokieren, mit dem hier um etwas letztlich doch Nebensächliches wie Fußball gestritten wird. Und aus linksradikaler Warte könnte man noch hinzufügen: Die Spiele der Deutschen können ruhig codiert sein. So wird wenigstens das ungute Nationalgefühl nicht geschürt.

Doch im Kern geht es um etwas anderes: nämlich um einen Konflikt im Dreieck von kommerziellem Verwertungsinteresse, Standortpolitik und dem Recht der Öffentlichkeit auf Information. Kirch, der für 3,4 Milliarden die WM-Rechte gekauft hat, will die Konsumenten zwingen, das Pay-TV Premiere zu abonnieren, an dem er mitbeteiligt ist. Weil sie das bisher nicht – oder zuwenig – freiwillig tun, soll eine künstliche Verknappung beim Fußball nachhelfen. So ähnlich sahen das bisher auch viele Politiker: Denn ein ordentlich differenzierter Medienstandort Deutschland braucht auch ein funktionierendes Pay-TV. Kürzlich ist vielen Verantwortlichen freilich aufgefallen, daß diese Privatisierung öffentlich zugänglicher Bilder gar nicht gut ankommt. Denn das Wahlvolk hat natürlich ein Interesse daran, daß möglichst viele mit möglichst wenig Bedingungen Zugang zu den Bildern haben. Eine klare Konstellation: hier die Öffentlichkeit, dort Kirch, dazwischen schwankend die Politik.

Die Nationalmannschaft spielt, so das Selbstverständnis, stellvertretend für die Nation – und zwar für die ganze, und nicht für jenen Teil, der über einen Premiere-Decoder verfügt. Wenn Kirch die Privatisierung dieser Bilder durchsetzt, wäre dies ein Symbol, daß das private Vermarktungsinteresse und die Anforderungen eines global konkurrenzfähigen Medienstandorts auch das Nationale verdrängen. Stefan Reinecke