„Alles großer Mist“

■ Hamburgs älteste Vertrauensstelle für Beziehungsstreit soll dichtgemacht werden

„In meinen Augen ist das alles großer Mist“, da nimmt die Psychologin Anke Pieper kein Blatt vor den Mund. Daß die Behörde für Jugend, Schule und Berufsbildung (BSJB) die „Vertrauensstelle“schließen will, die schon 70 Jahre auf dem Buckel hat, das geht ihr gegen den Strich. Die überbezirkliche Beratungsinstitution für Paare in Winterhude ist aufgrund ihrer langen Tradition eine bekannte Adresse bei Partnerschaftskonflikten.

„Wenn die Frauenhäuser zu 136 Prozent ausgelastet sind, dann kann man sich vorstellen, wie es in den Beziehungen aussieht“, warnt die Psychologin. Gewalt, Alkohol, sexueller Mißbrauch bis hin zur Vergewaltigung machen etwa ein Viertel der Themen aus, die in den Beratungen immer wieder auftauchen. Aber auch der ganz normale Alltagsstreß, Kommunikationsstörungen oder drohende Arbeitslosigkeit machen den Paaren zu schaffen.

1996 wurden in der Vertrauensstelle, über deren Zukunft die BSJB am 3. November entscheiden will, 600 Fälle bearbeitet. Zur Zeit stehen 85 Menschen auf der Warteliste. Das 1998 in Kraft tretende Kindschaftsrecht, das von der gemeinsamen elterlichen Sorge als Regelfall ausgeht und Vätern nichtehelicher Kinder ein Umgangsrecht einräumt, wird den Bera-tungsbedarf vermutlich noch erhöhen. „Gleichzeitig werden bei uns die Pforten geschlossen und 14 Honorarkräfte beschäftigungslos“, kritisiert Anke Pieper.

Zudem ist unklar, was aus dem Treffpunkt für Scheidungskinder und den Trennungsgruppen werden soll. Die Beratungsarbeit soll im Rahmen der Umstrukturierung der Jugendarbeit auf die Bezirke verteilt werden. Die Vertrauensstelle soll entweder „ihrem“Bezirk Nord zugeordnet werden oder – brennpunktnah – nach Wandsbek oder St. Georg umziehen. Die neue Aufgabe hieße dann: Erziehungsberatung. „Das bedeutet, daß sich dann nur noch Paare mit Kindern beraten lassen könnten“, sagt Dieter Kretzer vom Amt für Jugend. lian