: Eine andere Kultur als zu Zeiten Martin Luther Kings
■ Marsch der Millionen in den USA
Die Märsche der Million Frauen in Philadelphia und der Million Männer in Washington wecken Erinnerungen an die Demonstrationen der Bürgerrechtsbewegung vor dreißig Jahren. Martin Luther King wäre es allerdings nie eingefallen, eine Bevölkerungsgruppe allein unter Ausschluß einer anderen aufzurufen. Seine Devise war: größtmögliche Einbeziehung aller, die sich gegen den Rassismus engagieren.
Tatsächlich ausgeschlossen wurde keiner, weder auf dem Million Man March in Washington vor zwei Jahren noch dem Million Woman March jetzt in Philadelphia. Und doch sind die Märsche heute von einer anderen Kultur geprägt. Viel ist erreicht worden seit der Bewegung, für die Martin Luther King steht. Und doch hat sich wenig geändert. Die Arbeitslosigkeit, Armut und die Wahrscheinlichkeit, im Gefängnis zu landen, ist unter der schwarzen Bevölkerung immer noch so hoch wie die Lebenserwartung niedrig.
Die Bewegungen der 60er und der 90er Jahre markieren mit dreißig Jahren Zeitverzögerung eine in die schwarze Geschichte zurückreichende Differenz. Booker T. Washington setzte sich 1902 für eine allmähliche Besserstellung der Schwarzen durch Bildung ein. Sein Gegenspieler W.E.B. Dubois interessierte sich in erster Linie für Gerechtigkeit. Er gelangte 1961 im Alter von 93 zu dem Ergebnis, daß die in Amerika nicht zu haben sei. Dubois kündigte die Staatsbürgerschaft und siedelte ins unabhängige Ghana über. Die Differenz manifestierte sich in den 60er Jahren in den Positionen von Martin Luther King und Malcolm X.
Die Märsche von Washington und Philadelphia knüpfen eher an die radikalen Positionen der Separatisten an. Zugleich greift diese neue Bewegung aber eine Mahnung Jesse Jacksons auf, daß Schwarze für ihre Lage selbst Verantwortung tragen. Zwei Kräfte haben in der Geschichte Amerikas bisher eine überragende Rolle gespielt: Die schwarze Kirche und die schwarze Frau. Letztere hat in den Trümmern, die Deindustrialisierung und Drogen hinterlassen haben, Scherben zusammengekehrt und Familien zusammengehalten. Mit ihren Erfahrungen und Stärken ist die schwarze Frau besser gerüstet, Besserstellung und Gerechtigkeit durchzusetzen – und die widerstreitenden Positionen der Emanzipationsbewegung zu versöhnen. Peter Tautfest
Reportage Seite 13
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