Kurs: Katastrophe

■ Nahost: Netanjahus dogmatische Politik zerstört den Friedensprozeß

Deutlicher hätte er nicht werden können. In beispiellos kategorischen Worten hat Israels Ministerpräsident die Interimsabkommen mit den Palästinensern aufgekündigt. Keine „Auszeit“ im Siedlungsbau, keine Teilrückzüge, keine Angebote mehr. Schluß, aus! Als Begründung mußte wieder einmal der mangelnde Kampf der Autonomiebehörde gegen den „Terrorismus“ herhalten. Arafat habe Hamas- Leute entlassen und einige Hamas-Einrichtungen — nämlich karitative — wieder geöffnet. Stimmt. Noch Mitte vergangener Woche aber hatte Netanjahus Kabinettskollege, Verteidigungsminister Mordechai, die Kooperation der Palästinenser in Sicherheitsfragen gelobt. Alles nur Chuzpe?

Netanjahu legt die propagandistische Latte im „Kampf gegen den Terrorismus“ so hoch, wie er es braucht. Und Arafat wird diese Latte niemals überspringen können. Die vordergründige Instrumentalisierung des „Terrorimus“ aber kann weder Netanjahus mangelnde Friedens- noch seine mangelnde Entscheidungsfähigkeit verdecken. Er nimmt es in Kauf, die US- Außenministerin zu düpieren und selbst in Washington als wortbrüchig zu gelten. Seine öffentlichen Tiraden gegen die Oslo- Vereinbarungen und die Unterstützung einer Resolution der rechtsgerichteten Moledet-Fraktion in der Knesset, die Verhandlungen aufzukündigen, sind weniger Entlarvung als Bestätigung. Netanjahu ist nicht der Staatsmann, der mit den Palästinensern Frieden schließen kann, von wollen ganz zu schweigen. Netanjahu ist von den 23 Groß-Israel-Vertretern in seiner Regierungskoalition nicht abhängig, er steht ihnen nahe.

So droht die israelische Landnahme die Region in die Katastrophe zu stürzen. Die Entscheidung darüber liegt nicht in Washington oder Brüssel, sondern in Jerusalem. Nur eine Ablösung dieser Regierung kann Schlimmeres verhindern. Und selbst eine große Koalition mit der Arbeitspartei wäre heute das kleinere Übel. Georg Baltissen

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