: Theo Waigel jongliert mit Dollar und Gesetzen
■ Bundesbankgewinn aus Devisenneubewertung soll zum Tilgen der Erblasten dienen
Berlin (taz) – Die Bundesbank besitzt Devisen im Wert von 113,6 Milliarden Mark – ein Großteil davon sind Dollar. Doch tatsächlich ist der Geldberg viel mehr wert. Denn die Bundesbank hat jeden Dollar mit dem niedrigsten Umtauschkurs aller Zeiten berechnet: 1,3620 Mark.
Klar ist, daß diese Unterbewertung nicht beibehalten werden kann. Denn das Europäische Währungsinstitut, die die Gründung der Europäischen Zentralbank (EZB) vorbereitet, hat bereits angekündigt, daß die Devisen der Zentralbanken zu marktnahen Preisen bewertet werden müssen. Ein entsprechendes Gesetz ist gerade in Vorbereitung. Ende November soll das Gesetz, wenn alles nach Plan läuft, durch den Bundestag sein. Der Finanzsegen soll auf ein Neubewertungskonto der Bundesbank fließen und als Sicherheit gegen Währungsschwankungen dienen. „Das Geld ist nicht ausschüttungsfähig“, sagte ein Sprecher des Finanzministeriums gestern.
Was der Mann nicht gesagt hat, ist, daß das Gesetz erst ab 1999 gilt, sobald die EZB ihre Arbeit voll aufgenommen hat. Sollte es Theo Waigel gelingen, einen Teil der Neubewertung der Devisen schon vorher zu erreichen, kann er die Milliarden abschöpfen. Die Chancen stehen gut: Bundesbankchef Tietmeyer hat bereits im Frühjahr während der Goldkrise zugesagt, daß er eine Neubewertung für den Jahresabschluß 1997 prüft. Die zusätzlichen Milliarden – die Westdeutsche Landesbank rechnet mit etwa 15 Milliarden Mark – würden dann im April 1998 zusammen mit dem Bundesbankerlös von 10 Milliarden überwiesen.
Zwar darf der Finanzminister per Gesetz nur 7 Milliarden Mark Bundesbankgewinne für seinen Haushalt einsetzen; der Rest muß an den Erblastentilgungsfonds überwiesen werden, der die Kosten für den Zusammenbruch und Aufbau Ost trägt. Doch Waigel hieße nicht Waigel, wenn er nicht einen Trick finden würde. Für den Schuldenberg des Erblastentilgungsfonds sollen fünf Milliarden Mark weniger aus dem Haushalt gezahlt werden. Dazu will Waigel flugs das entsprechende Gesetz ändern. Auffallen würde das im nächsten Jahr kaum: Denn der Bundesbankgewinn könnte das Loch stopfen. aje
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen