: Sonderurlaub ist "Lachnummer"
■ Das Angebot des Senats an seine Bediensteten, statt Weihnachtsgeld vier Wochen Urlaub zu nehmen, wird kaum angenommen. "Wir müßten sonst dichtmachen", heißt es aus den Ämtern
Nach Ansicht seiner MitarbeiterInnen hat der Senat in der vergangenen Woche eine „Lachnummer“ beschlossen: Das Angebot, MitarbeiterInnen des öffentlichen Dienstes könnten bis Jahresende vier Wochen Zusatzurlaub nehmen und statt dessen auf ein Monatsgehalt verzichten, läuft nach einer nicht repräsentativen Umfrage der taz nur sehr schleppend an. Bisher gibt es in Bezirksämtern und Senatsverwaltungen kaum positive Rückmeldungen, heißt es aus den Amtsstuben.
Das Angebot des Senats gilt offiziell für alle Hauptverwaltungen und Bezirksämter. Ausgenommen sind Schulen und Behörden mit einer Urlaubssperre, wie zum Beispiel das Landeseinwohneramt.
Im Bezirksamt Neukölln etwa haben nur vier MitarbeiterInnen den Sonderurlaub beantragt, davon wurden drei Anträge bewilligt. Weitere Rückmeldungen werden nicht erwartet, heißt es. In Hellersdorf ist die Frist für die Rückmeldung abgelaufen. Ergebnis: ein genehmigter Antrag. Bezirksbürgermeister Uwe Klett (PDS) meint: „Wir müßten ein Schild an die Tür hängen: Amt geschlossen wegen der Sparinitiative des Senats.“ Köpenick und Hohenschönhausen haben bisher überhaupt noch keine Rückmeldungen.
Ähnlich dürftig ist die Resonanz in den Hauptverwaltungen. In der Jugendverwaltung wurden zehn Urlaubsanträge genehmigt. Laut Pressesprecherin Rita Hermanns hätten noch mehr KollegInnen Interesse, doch das Personal sei derart weggekürzt worden, daß „bei Krankheit ganze Verwaltungen zusammenbrechen und keine Urlaubsvertretungen mehr zur Verfügung stehen“. Hermanns selbst hätte gern vier Wochen Urlaub. „Doch dann müßte ich hinterher meine Kollegin im Krankenhaus besuchen.“ Für die Justizverwaltung liegen bisher keine Rückmeldungen vor, doch auch dort heißt es: „Wir können nur Zusatzurlaub nehmen, wenn wir den Journalisten keine Fragen mehr beantworten.“ Der Sprecher der Innenverwaltung, Thomas Raabe, kann sich vorstellen, Anträge einzelner Polizisten auf Sonderurlaub zu genehmigen. Bisher hat er jedoch noch keinen auf dem Tisch.
Viele MitarbeiterInnen hätten an dem Angebot zwar Interesse, würden aber mit Rücksicht auf den Arbeitsanfall in den Ämtern erst gar keine Anträge stellen, heißt es. So würden Erzieherinnen in Kitas sich gern ein paar Wochen Freizeit gönnen. Aber oft blocken die KitaleiterInnen ab, weil es keine Vertretungskräfte gibt.
Der Beschluß geht auf einen Parlamentsantrag der Bündnisgrünen zurück. Doch von deren ursprünglicher Intention, mit den Einsparungen Menschen aus dem Personalüberhang wieder zu einer regulären Beschäftigung zu verhelfen und Arbeitslose einzustellen, ist nicht viel übriggeblieben. Die Finanzsenatorin will das Geld, von einem geringen Teil abgesehen, einsparen.
ÖTV-Sprecher Ernst-Otto Kock kritisiert: „Damit haben wir nicht Beschäftigung durch Teilzeit geschaffen, sondern die Kollegen zahlen den Verdienstausfall der Sonderurlauber durch einen höheren Arbeitsaufwand.“ Zudem sei in der Öffentlichkeit der Eindruck entstanden, der öffentliche Dienst habe nichts zu tun. Für die GEW erklärt deren Vorsitzender Erhard Laube: „In Kitas könnte die Regelungen nur funktionieren, wenn das eingesparte Geld in einen Pool zur Einstellung von Vertretungskräften gesteckt würde. Doch gerade das sieht der Senat nicht vor.“ Der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft, Klaus Eisenreich, ist sicher, daß bei der Polizei Anträge auf Zusatzurlaub ohnehin abgelehnt werden würden. Marina Mai
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