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Keine „blühenden Landschaften“

■ Agnes-Rachel Jacobsohn, Sprecherin der Grünen Jugend Initiative, verspricht sich von Rot-Grün soziale, ökologische und ökonomische Perspektiven

Die Verhandlungen sind abgeschlossen, SPD und GAL sind sich einig: Hamburgs Zukunft soll rot-grün aussehen. Fraglich ist nur noch, inwieweit die Parteibasis mit dem Paket zufrieden ist. Denn die Erfolge sind umstritten. Nicht nur die Stillegung des AKW Brunsbüttel im Jahr 2002, auch die „Verläßliche Halbtagsgrundschule“stößt nicht überall kritiklos auf Applaus. Besonders die Grüne Jugend Initiative steht diesem Projekt sowohl aus pädagogischen als auch aus finanziellen Gründen kritisch gegenüber.

Das Konzept der Verläßlichen Halbtagsgrundschule sieht vor, daß alle Kinder der Klassen 1 bis 4 zusätzlich zu den regulären vier Stunden Unterricht zwei Stunden betreut werden, und das in viel zu engen, unzureichend ausgestatteten Klassenräumen. Um dieses Problem zu lösen, müßten Klassen ausgebaut und zusätzliche Lehrer oder Erzieher eingestellt werden.

Daß dies angesichts des angestrebten Sparkurses nicht realisiert werden kann, liegt auf der Hand. Das können sich selbst Schüler ausrechnen, die schon heute von überforderten Lehrern in überfüllten Klassen unterrichtet werden. Schon heute hat das Land so wenig Mittel, daß nicht einmal die bisherige Lehrerzahl gehalten werden kann.

Die GAL hat zumindest bewirkt, daß der Stellenabbau erst 1999 beginnt. Woher die Finanzmittel für die benötigten zusätzlichen Stunden kommen sollen und warum diese nicht besser dort eingesetzt werden, wo Schüler sie dringend brauchen, um den Lehrplan einhalten zu können, bleibt unklar.

Sinnvoller wäre es meiner Meinung nach, wenn die bestehenden Betreuungsangebote – zum Beispiel in Kindertagesstätten – flexibler gestaltet würden, so daß es für eine Mutter möglich wäre, ihr Kind nur für die tatsächlich nötige Zeit unterzubringen und auch nur diese zu bezahlen. Dadurch könnte man eine kostspielige „Zwangsbetreuung“verhindern und das Geld für Kinder- und Jugendeinrichtungen in sozialen Brennpunkten einsetzen.

Ich begrüße es, daß die Schulen in Zukunft einen autonomen Etat bekommen werden. Eine sinnvolle Ergänzung wäre es, den jährlichen Schulhaushalt nicht nur von der Schulleitung, sondern auch von Lehrerschaft und Schülervollversammlung absegnen zu lassen. Außerdem sollten die für eine qualifizierte Abstimmung nötigen Informationen dem Schülerrat zugänglich gemacht werden.

Ich würde sogar einen Schritt weiter gehen. Sinnvoll wäre es auch, die Schülervollversammlung an Entscheidungen, wie etwa der akuten Neuzusammensetzung von Klassen aus finanziellen Gründen, teilhaben zu lassen. Aber das sind weitergehende Maßnahmen, die in Zukunft angestrebt werden sollten.

Was GAL und SPD in besonderem Maße auf den Boden der sozialen Tatsachen zurückgebracht hat, war das Problem der untertariflichen Beschäftigung von Jugendlichen ohne Ausbildungsplatz. Anstatt mehr Anstrengungen zu unternehmen, Jugendliche mit einem Ausbildungsplatz zu versorgen, wollte die SPD diese Jugendlichen mit schlecht bezahlten Hilfsarbeiten ohne Qualifikation beschäftigen und ruhigstellen. Die GAL hat mit der Blockade dieses Vorhabens die Entstehung einer sozialen Zeitbombe verhindert. Unausgebildete und unterbezahlte junge Leute können allzu leicht ins soziale Abseits rutschen. In einer starken Stadt wie Hamburg muß es doch möglich sein, allen Ausbildungssuchenden eine Qualifikationsmöglichkeit zu geben.

Ausbildung ist unsere Zukunft und auch die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Deutschland. Deshalb ist es unerläßlich, sich über diesen Bereich besonders intensive Gedanken zu machen.

Die rot-grüne Landesregierung in Hamburg muß nun die in den Koalitionsverhandlungen beschlossenen Punkte durchsetzen und sie durch weitere Ideen erweitern. Dabei hat sie die besten Voraussetzungen, konstruktiv und innovativ vorzugehen, ohne sich durch eine bundespolitische Rivalität, wie sie bei einer schwarz-roten Koalition zu erwarten wäre, zu blockieren. Die Basis beider Parteien muß sich jetzt zu diesem Bündnis bekennen, auch wenn die GAL nur entsprechend dem Stimmverhältnis von 1:3 Forderungen durchsetzen konnte.

Diese Koalition verspricht zwar keine „blühenden Landschaften“, dafür aber eine soziale, ökologische und ökonomische Weiterentwicklung des Standortes Hamburg, die in einer Regierung mit der CDU nicht zu erreichen wäre.

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