: Brandspuren hinter Glas
Fünf Jahre nach dem Anschlag wird am Ort der damals niedergebrannten Baracke die Ausstellung „Jüdische Häftlinge im KZ Sachsenhausen“ eröffnet ■ Von Andrea Dech
In der Nacht zum 26. September 1992 wurde ein Brandanschlag auf die sogenannten „jüdischen Baracken“ in der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen verübt. Erst zehn Tage vorher hatte der später ermordete israelische Ministerpräsident Jitzhak Rabin das Museum in den Baracken 38 und 39 besucht.
Der Anschlag reihte sich in eine Kette von antisemitischen und ausländerfeindlichen Anschlägen des Jahres 1992 ein. Die Baracke 38 brannte zur Hälfte nieder, die Baracke 39 wurde stark beschädigt. Zwei der Täter wurden erst 1995 im zweiten Anlauf zu Haftstrafen verurteilt.
Lange diskutiert wurde der Umgang mit den Ruinen der geschändeten Baracken. Ein einfacher Wiederaufbau hätte den Anschlag ganz unsichtbar gemacht. Der Vorschlag des Architekten Daniel Libeskind wiederum, die verkohlten Reste mit einem Acrylguß zu überziehen, hätte ihm für die Mehrheit der Juroren des Wettbewerbs zuviel Bedeutung gegeben. Man entschied sich für einen Entwurf, der die Funktionalität des Ausstellungsgebäudes in den Vordergrund stellt, zugleich das beschädigte Gebäude als Exponat erhält.
Der vom Brand gezeichnete und verkohlte Flügel der Baracke 38 ist im Zustand nach dem Brandanschlag erhalten – hinter einer Glaswand. In diesen Räumen sind noch Teile der früheren DDR- Ausstellung zu sehen, wie die Rekonstruktionen der Wasch- und Toilettenräume der Häftlinge, des Aufenthaltsraumes mit Bänken, Tischen und Spinden und des Schlafraumes mit den dreistöckigen Holzhochbetten.
Auf dem Grundriß des niedergebrannten Teiles der Baracke wurde ein fensterloser Betonbau errichtet. Davorgesetzt wurde ein Gitter aus unverzinktem, rostigen Metall, der den Umriß und die Fenstergliederung der ehemaligen Baracke andeutet. Durch die Unterkellerung des Neubaus stehen nun 250 Quadratmeter Ausstellungsfläche zur Verfügung.
Am 9. November 1997, 59 Jahre nach dem Novemberpogrom 1938, wird hier die Ausstellung „Jüdische Häftlinge im KZ Sachsenhausen 1936–1945“ eröffnet, die von einer Projektgruppe der Gedenkstätte unter Leitung von Eva Brücker konzipiert wurde. Am Anfang der Ausstellung wird ein Video über den Brandanschlag und die Welle rechtsextremistischer Anschläge des Jahres 1992 gezeigt. Er bietet den Einstieg in die Geschichte des Gebäudes. Mit Hilfe von 15 biographischen Vitrinen, vielen Tonbandberichten von ehemaligen Häftlingen und 800 selten ausgestellten Objekten wird dann die Geschichte der jüdischen Häftlinge erzählt.
So sind in einer Vitrine Lederreste zu sehen, die 1996 zufällig bei Grabungen auf dem an die Gedenkstätte grenzenden Industriehof gefunden wurden. Auf einem der Lederstücke ist eine Adresse erkennbar, die nach Recherchen in Wien, Lichtensteinstraße Nr. 23, lokalisiert werden konnte. Der Besitzer dieser Tasche wurde vermutlich in ein Vernichtungslager deportiert und ermordet, seine Tasche dann nach Sachsenhausen geschickt. Hier befanden sich seit 1942 Werkstätten, in denen KZ- Häftlinge die Uhren, Kleider und Schuhe von in den Vernichtungslagern ermordeten Menschen weiterverarbeiten mußten.
Öffnungszeiten: täglich außer Mo., 8.30 bis 16.30, Straße der Nationen 22, 16515 Oranienburg
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