: „Die wollten uns in Ahaus total demütigen“
■ Augenzeugen bestätigen rücksichtslosen Polizeieinsatz bei Anti-Atom-Demonstration in Ahaus. Jugendliche wollen jetzt Klage beim Verwaltungsgericht Münster einreichen
Ahaus (taz) – Für den 15jährigen Florian war es wie ein Schock: „Daß die Polizei so mit Menschen umgehen würde, hätte ich nie gedacht. Die wollten uns in Ahaus total demütigen.“ Nach stundenlangem Festhalten im Polizeikessel auf den Ahausener Bahngleisen hatte Florian nach der Einlieferung in einem zur Haftanstalt umgemodelten Kreiswehrersatzamt nicht nur „betteln“ müssen, „um zum Klo zu kommen“, sondern er sah sich auch ohne jeden Anlaß mit einer Leibesvisitation konfrontiert. Dabei habe der Polizist nicht davor zurückgeschreckt, ihm in den After zu fassen.
„Ich wurde von einer Polizistin aufgefordert, mich nackt auszuziehen, und hatte immer Angst, daß jemand in den Raum kommen würde. Denn kurz vorher war noch ein männlicher Polizist hereingestürmt“, berichteten gestern die 14jährigen Mädchen Lotte und Laura vor der Presse. Das sei dann zwar nicht passiert, aber „ich stand die ganze Zeit vor einem hell erleuchteten Fenster, und von unten konnten die Polizisten das Fenster einsehen“, erinnerte sich Lotte.
Es waren nicht nur die Schilderungen der Betroffenen, die gestern die offizielle Polizei-Lesart von einem „angemessenen Einsatz“ zertrümmerten. Auch Hartmut Liebermann, Sprecher der Ahausener Bürgerinitiative, und ein Vertreter des Münsteraner Ermittlungsausschusses malten ein Bild von einem überzogenen und unangemessenen Einsatz. Das Verhalten einzelner Polizisten wertete Liebermann, der bei allen Polizeieinsätzen anwesend war, als „teilweise offen rechtswidrig“. Man wolle zwar keinen Nebenkriegsschauplatz eröffnen, denn „wir kämpfen nicht gegen die Polizei, sondern gegen die Atomindustrie, aber hier wurde die Polizei zu politischen Zwecken mißbraucht“.
Mehrere Jugendliche, die nach eigener Aussage gar nicht wußten, daß der Spaziergang über die Gleise verboten war, werden vor dem Münsteraner Verwaltungsgericht Klage gegen den Polizeieinsatz erheben. Walter Jakobs
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