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Rentenstreit jetzt in der Koalition

■ FDP-Vorsitzender Wolfgang Gerhardt lehnt Steuererhöhungen ohne gleichzeitige Reform des Rentensystems ab: "Schluß mit dem Reparaturbetrieb ohne Strukturreform"

Bonn (rtr) – Das SPD-Angebot zum Rentenkompromiß hat die Koalition vor eine Zerreißprobe gestellt. Die FDP will nach den Worten ihres Vorsitzenden Wolfgang Gerhardt keine Steuererhöhungen ohne gleichzeitige Rentenreform mitmachen. Bayerns Regierungschef Edmund Stoiber (CSU) stellte aber am Wochenende klar, daß er ein Vorziehen der Rentenreform auf 1998 weiterhin ablehnt. Niedersachsens Ministerpräsident Gerhard Schröder (SPD) legte es der SPD nahe, auf ihre Forderung nach einer höheren Mineralölsteuer zu verzichten. Arbeitsminister Norbert Blüm (CDU) rief alle Seiten zu Zugeständnissen auf, um einen Anstieg des Rentenbeitrags 1998 auf 21 Prozent zu verhindern.

Gerhardt sagte der Bild am Sonntag, Steuererhöhungen zu dem Zweck, die Rentenkassen jetzt zu entlasten, wären ein reiner Verschiebebahnhof. Es müsse aber Schluß sein mit einem Reparaturbetrieb ohne Strukturreformen, der nur zu immer neuen Steuererhöhungen führe. Der FDP- Chef attackierte Blüm und den SPD-Sozialexperten Rudolf Dreßler als „Veränderungsverweigerer“.

Stoiber machte aber im Magazin Focus deutlich, daß er wie schon im September sein Veto gegen ein Vorziehen der Rentenreform einlegen würde. Man könne eine Rentenreform nicht mit einer Nullrunde oder einer Absenkung der Renten beginnen. Neueste Zahlen, nach denen 1998 die Renten auch dann steigen würden, wenn die Reform auf dieses Jahr vorgezogen würde, seien nur unsichere Schätzungen. Stoiber forderte zudem, den Anstieg der Renten im Osten auf das niedrigere Niveau des Westens zu begrenzen.

Der CSU-Vorsitzende, Finanzminister Theo Waigel, sagte der Passauer Neuen Presse, er halte es nicht für sinnvoll, jetzt nur über die sozialen Sicherungssysteme zu reden und dafür alle Steuerquellen anzuzapfen. Er plädierte statt dessen für ein „Gesamtgespräch“ der Parteien über die Steuer- und Sozialreformen sowie die Staatsfinanzen.

Blüm sagte am Sonntag im ZDF, eine schnelle Entlastung der Rentenbeiträge sei nur durch Umfinanzierung möglich. Er appellierte an die SPD, aber auch an die Koalitionspartner, im Interesse einer raschen Lösung über ihren Schatten zu springen.

Strittig blieb in der Koalition, ob neben der Mehrwert- auch die Mineralölsteuer angehoben werden sollte. Stoiber und Waigel lehnten das strikt ab. Unions-Fraktionschef Wolfgang Schäuble blieb dabei, daß ein solcher Doppelschritt erwogen werden sollte.

Gegen eine höhere Mineralölsteuer wandte sich auch Schröder. Für ihn sei die Mehrwertsteuer das geringere Übel, sagte er dem Spiegel. Diese Haltung gelte nicht unbedingt für die gesamte SPD. Er rate aber, das Ziel, die Rentenbeiträge nicht steigen zu lassen, über den Weg zu stellen. „Diese Regierung ist am Ende. Wenn wir nun helfen, das von Kohl und Blüm angerichtete Chaos aufzulösen, wird das der SPD nutzen, nicht schaden“, sagte er.

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