Die Jugend als Unternehmer

■ Mit neuen Strategien sollen Jugendliche aus der Arbeitslosigkeit geführt werden. Wer einen kleinen Betrieb gründen möchte, muß aber rechtliche Hürden überwinden. Ein Tagungsbericht

Es gibt sie wirklich: Jugendliche, die kein Interesse an der soundsovielten Bildungsmaßnahme haben, weil sie auch danach nicht den Ausbildungsplatz bekommen, den sie sich wünschen, oder schon eine Lehre gemacht haben, mit der sie nichts anfangen können. Die in der Luft hängen, die wohlmeinenden Angebote der Jugendhilfe genauso blöde finden wie einen Acht-Stunden-Tag am Fließband – und die trotzdem sehr wohl was auf die Beine stellen könnten, wenn man sie nur ließe. Man läßt sie aber nicht. Das soll sich jetzt ändern. Wenn es nach einer Gruppe Sozialarbeiter und Jugendhelfer geht, werden aus zahlreichen Jugendlichen bald Kleinunternehmer. „Existenzgründung für Jugendliche“, unter diesem Motto saß eine etwa 20köpfige Arbeitsgruppe jetzt auf der „Jugendberufsnottagung“ in Prenzlauer Berg zusammen und entwickelte Strategien und Konzepte für einen neuen Weg in der Jugendhilfe.

„Hilf dir selbst, sonst hilft dir keiner“ – auch so kann man den Anlaß der Aktion beschreiben. „Es gibt zuwenig Arbeitsplätze, die Leute werden weiter und weiter ausgebildet und wissen nicht, wozu“, erklärt Karin Lücker, Sprecherin der Gruppe und ansonsten im brandenburgischen Jugendministerium beschäftigt. Auf der anderen Seite, so Lücker und ihre MitarbeiterInnen, hätten gerade Jugendliche oft jede Menge kreativer Ideen. Und: „Vielleicht sind sie sogar weniger ängstlich als Erwachsene, wenn es darum geht, ein eigenes Geschäft aufzumachen.“

Schließlich gehe es auch nicht um die Gründung großer Unternehmen, sondern von Klein- und Kleinstbetrieben – für die man oft gar nicht mehr als 10.000 oder 20.000 Mark braucht. In vielen Fällen, so Lücker, „würde man damit nur etwas legalisieren, was Jugendliche eh schwarz anbieten, um sich über Wasser zu halten.“

Das Konzept, das sein Vorbild in London hat – dort allerdings unter der hohen Schirmherrschaft des zugkräftigen Kronprinzen Charles – ist denkbar einfach: Man braucht nicht mehr als eine Idee, Talent und den Wunsch, sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. So entstehen Dielenschleifereien, Kurierdienste, CD- Produzenten, Internet-Agenturen oder Uhrmacher.

Zur Seite steht den Jugendlichen ein Mentor – idealerweise ein Ehrenamtlicher, der sie moralisch, aber vor allem praktisch unterstützt. Denn: „Mehr als alles andere brauchen die Leute betriebswirtschaftliche Beratung, Marketing- und Verkaufsstrategien“, weiß Bob Austin von „Princes Youth Business Trust“ der für die Tagung aus London angereist war.

Zur Enttäuschung der Berliner sprach sich Austin gegen ein sozialarbeiterisches Konzept aus: „Unser Streetworker war einmal Geschäftsmann. Mit Sozialarbeitern haben wir nichts zu tun.“ Prinz Charles sei Dank, verfügen die Londoner allerdings über Geldmittel, die in Berlin noch nicht in Sicht sind.

Die jungen Leute, die mindestens 18 und höchstens 30 Jahre alt sein müssen, bekommen von der Stiftung bis zu 4.500 Mark, die nicht zurückgezahlt werden müssen. Außerdem können sie zu günstigen Konditionen ein Darlehen über 15.000 Mark erhalten. Im Falle von Zahlungsrückständen ist die Stiftung kulant.

Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Laut Austin wurden in den vergangenen zehn Jahren 33.000 Geschäfte gegründet, zwei Drittel davon erfolgreich.

Inwieweit das Konzept auf Deutschland übertragbar ist, ist allerdings fraglich. Außer der Frage der Finanzierung stehen Existenzgründungen von Jugendlichen hier auch noch die strikten Handwerksordnungen im Weg. „Man muß Nischen suchen“, so Karin Lücker, „der gesamte Computerbereich ist zum Beispiel völlig ungeregelt.“

Es bleibt die Sorge, daß Jugendliche in Konkurs getrieben werden

Erfolgsgeschichten gibt es auch hier schon: Reinhard Lang vom Sozialpädagogischen Institut verweist darauf, daß alleine aus dem Umfeld eines Jugendfreizeitheims in der Oranienstraße in den vergangenen Jahren sechs kleine Musik- und Veranstaltungsfirmen hervorgegangen seien. Auch die Kreuzberger „Kiezkantine Snack- Attack“ wurde mit Hilfe einer Anschubfinanzierung von sechs arbeitslosen Jugendlichen gegründet.

Trotz aller Skepsis vieler Kollegen, die fürchten, hilflose Jugendliche würden unweigerlich in den Konkurs getrieben, will die Gruppe um Karin Lücker und Reinhard Lang am Ball bleiben. Als Testfeld hat man sich den Prenzlauer Berg auserkoren, in Tagungen und Seminaren soll verstärkt an dem Thema weitergearbeitet werden.

Offen ist vor allem noch die Frage, wie die Unterstützung der Jugendlichen strukturiert werden soll: Und: Um an Geld zu kommen, werden dringend VIPs gesucht. Ein Prinz ist schließlich nicht in Sicht. Jeannette Goddar