: Hartes Gesetz bremst sanfte Energien
■ Bundesregierung beschließt neues Einspeisegesetz für Strom aus Sonne, Wind und Biogas – mit eingebauter Obergrenze von fünf Prozent. Alle Kunden sollen künftig ihren Elektrizitätslieferanten frei wählen können – aber nur langsam und nur ein bißchen
Berlin (taz) – Als Wettermacher für die Energiewirtschaft betätigte sich gestern die Regierungskoalition in Bonn. Und aus dem Raum des zuständigen Wirtschaftsausschusses zieht ein wahres Gewitter herauf: Das Stromeinspeisegesetz wird geändert. Es garantierte bisher jedem Erzeuger von Windkraft- und anderem Strom aus alternativer Energie einen Preis von 17,15 Pfennig pro Kilowattstunde, wenn er in das allgemeine Netz liefert. Der Stromversorger des jeweiligen Windradstandortes mußte den Strom abnehmen.
Damit wird in einigen Jahren Schluß sein. Gestern wurde in Bonn beschlossen, daß der Strom aus erneuerbaren Energien nur so lange abgenommen werden muß, wie ihr Anteil an der gesamten Stromerzeugung eines überregionalen Versorgungsunternehmens nicht fünf Prozent übersteigt. Konkret bedeutet das vor allem für die norddeutschen Bundesländer eine baldige Deckelung. Denn an der Küste laufen sehr viele Windkraftanlagen. So hat die Schleswag in Schleswig-Holstein schon einen weit höheren Anteil an Windenergie als fünf Prozent. Dieser Anteil wird nach dem neuen Gesetzentwurf zwar auf den übergeordneten Stromkonzern hochgerechnet, im Fall der Schleswag die PreussenElektra. Doch auch die ist nicht mehr weit von der Fünfprozentmarke entfernt. Dann könnten diese Energieversorger sich weigern, mehr Alternativstrom abzunehmen.
„Für die nächsten drei bis fünf Jahre ändert sich nichts, aber dann ist die Fünfprozentgrenze erreicht“, schätzt Uwe Carstensen vom Bundesverband Erneuerbare Energien. Alle Anlagen, die vorher gebaut werden, bekommen noch für ihre gesamte Laufzeit den garantierten Abnahmepreis. Alle jüngeren gehen leer aus. Nicht nur die Windkraft ist betroffen, auch Sonnenenergie oder die wirtschaftlich sehr rentable Stromgewinnung über Biogas in der Landwirtschaft werden so gedeckelt. Und diese Energien sind erst im Kommen.
Bedrohliche Aussichten auch für die 10.000 bis 15.000 Beschäftigten der deutschen Windenergiebranche. „Seit Monaten machen wir diesen Affentanz mit, das Auf und Ab in Bonn“, ärgert sich Andreas Eichler, Sprecher des Firmenbeirats im Bundesverband Windenergie. Er ist gleichzeitig Projektleiter bei der deutschen Tochter des dänischen Windradherstellers Vestas. Die Dänen schütteln den Kopf über die Politik in Deutschland. Schließlich ist hierzulande von 1991 bis Mitte 1997 die Zahl der Windkraftanlagen von 800 auf 4.700 gestiegen. Mit einer theoretischen Vollauslastung von 1.764 Megawatt produziert die Bundesrepublik mehr Strom aus Windkraft als irgendein anderes Land der Welt.
Das Stromeinspeisegesetz wurde im Doppelpack mit einem milliardenschweren, seit Jahrzehnten umkämpften Werk eingetütet, dem Energiewirtschaftsgesetz. Mit einer gestern vorgestellten Novelle des E-Gesetzes hat die Bundesregierung ihrer Meinung nach die Monopole auf dem Markt für Strom und Gas abgeschafft. Jeder Kunde vom Kleingärtner bis zur Aluminiumschmelze kann theoretisch seinen Lieferanten für Strom frei wählen. Nun soll der Strompreis sinken. Dabei geht es um viel Geld: Jeder Pfennig weniger pro Kilowattstunde bedeutet für alle Endverbraucher zusammen Einsparungen von einigen Milliarden Mark.
Die Opposition sieht noch einige grobe Mängel an dem Gesetz, betont Michaele Hustedt von Bündnis 90/Die Grünen. Die energiepolitische Sprecherin der grünen Fraktion sieht die „Gelddruckmaschine“ der Stromkonzerne nach wie vor am Laufen. Die Versorger müssen billigen Strom von außerhalb ihres Gebiets nur durchleiten, „wenn es zumutbar“ ist, so das Gesetz. Was aber zumutbar ist, dazu schweigt sich das Regelwerk aus.
Michaele Hustedt hofft nun, zusammen mit der SPD im Vermittlungsausschuß von Bundesrat und Bundestag noch einige Verbesserungen in das Gesetz einzubringen – von der Regelung der Stromeinspeisung bis zu einem klaren, niedrigen Festpreis für die Durchleitung von Strom. Reiner Metzger
Tagesthema Seite 3
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